Es war ein ereignisreicher Tag, auch wenn er nur ein klein wenig mit Nähmaschinen oder Nähmöbelsuche zu tun hatte.
Gegen halb acht startete ich fröhlich Richtung Bamberger Umland. Die kleine 90-km-Tour führte über kleine Nebenstraßen, es war noch etwas frisch, doch die Sonne zeigte sich fröhlich lächelnd zwischen den Wolken. Zehn vor neun Uhr erreichte ich gut gelaunt das Haus, in dem Gix wohnt.
Nach einem kurzen -päuschen machte sich auch Gix fertig und stellte fest, daß ihre Lederkombi in den letzten drei Jahren wohl etwas geschrumpft ist, denn sie bekam diese nicht mehr zu. Maulend, daß eine Textilbekleidung auf einer Sportmaschine ziemlich SCH.. aussieht, schlüpfte sie in ihre Sommerhose und zog die Stiefel an. Die Jacke nahm sie über den Arm.
In der Garage hing die Batterie noch am Ladegerät und die Gixxer stand schlafend abgedeckt unter einer Plane im hintersten Eck der Garage. Erst Mal mußte das Auto rausgefahren werden. Beim Schieben der Maschine in die Mitte der Garage stellten wir dann fest, daß so wenig Luft in den Reifen war, daß wir damit nicht mal bis zur 400 m entfernten Tankstelle kommen würden. Die Kette hatte wohl auch schon lange kein Fett mehr gesehen, deshalb lief Gix zur Tankstelle um sich das Luftgerät auszuleihen und weißes Kettenspray zu kaufen. In der Zwischenzeit baute ich die Batterie ein. Das Motorrad von Gix ist eine 91er Suzuki GSX 600 ist ein Sportmaschine mit 86 PS und einem Vierzylinder-Vergaser-Motor - ein spritziges Kraftpaket, das Drehzahlen liebt. Wir sprühten sorgsam die Kette ein und kontrollierten den Ölstand. Grummel.... da fehlte was, nur Gix konnte sich nicht erinnern, welches Öl die Maschine braucht. Also gab's einfach etwas vom Autoöl, bei knapp einem Viertelliter macht das nicht so wahnsinnig viel aus.
Dann schob Gix ihren Renner aus der Garage. Meine Augen schweiften über die bunte Plakette am Hinterteil und ich grübelte darüber nach, welche Farben derzeit verklebt werden. Ich fragte Gix, wann sie denn das letzte Mal gefahren sei. Sie meinte im Herbst vor drei Jahren. Dann guckten wir die Plakette genauer an und stellten fest, daß der TÜV im November 2012 fällig gewesen wäre. Ah ja, ganz toll. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet uns, daß wir noch genug Zeit hätten um einen Stop beim TÜV einzulegen, wenn wir Glück haben, kommen wir auch schnell dran. Gix schaute mich an wie ein Eichhörnchen, wenn's blitzt.
- Du willst jetzt nicht ernsthaft zum TÜV, oder? - Aber sicher oder willst Du einen Haufen Geld Strafe zahlen, von dem Du auch eine Nähmaschine kaufen könntest? - Nee, wo Du Recht hast, hast Du Recht. Meinst Du denn die kommt durch? - Ich vertraue einfach mal auf unser Glück! - Die Reifen hab' ich vor meiner Pause wechseln lassen. - Das wird schon! - Na dann, Dein Wort in Gottes Gehörgang! -
Alle älteren Suzukis, die ich bisher kennengelernt haben, haben die lästige Angewohnheit nach längeren Standzeiten schlecht anzuspringen. Leider kann man ihre Vergaser im Gegensatz zu älteren Hondas nicht so einfach mittels Drehen am Benzinhahn fluten und eine Gixxer hat auch keinen Kickstarter mit dem frau mal so eben durch Beinarbeit sachte Benzin ins Innenleben befördern könnte. So eine Suzuki ist nämlich modern! Ich stellte mich also auf eine längere Orgelei ein und mir war klar, daß das alles ein kleines Risko darstellt. Im Zweifelfall müßte Gix doch als Sozia bei mir mitfahren und dann würde heiter werden.
- Wenn ich mich jetzt komplett anziehe, dann mag sie bestimmt nicht! - Nee, keine selbsterfüllende Prophezeiung! Wo ist denn Dein Helm? - Im Helmsack im Regal. - Höhöhö..... da kleben ja noch die Fliegen von Jahrzehnten drauf! - Quatsch, der nur ein bißchen angestaubt. -
Gix holte ein nasses Tuch und putzte das Visier. Sie ging zu ihrem Motorrad und zog erwarungsvoll am Choke und drückte den Startknopf, ... orgel, orgel, orgel.... nichts.
- Shit, die mag nicht! - Bleib' drauf auf dem Anlasser, nicht absetzen, der Vergaser braucht erst mal Benzin, die kommt schon – Benzin? Ich schau' mal, ob überhaupt noch was drin ist. - Ja, das wär' mal ganz gut, wenn da Sprit drin wär. - Echt? Deine läuft ja mit Gülle, so viel ich weiß. - Ja, ja, läster Du nur, aber die springt an. -
Benzin war keins bzw. zu wenig drin und da Benzin sich während längeren Standzeiten in seine Einzelteile zu zerlegen pflegt, wunderte es mich nicht, daß die Gixxer Faxen machte. Jetzt wanderte Gix mit einem Benzinkanister zur Tankstelle und ich telefonierte mal mit der TÜV-Stelle. Ja, es gäbe noch einen Termin in einer halben Stunde, um elf, den ich gleich mal buchte. Gix füllte den Kanisterinhalt in die Weiß-Blau-Rote und streichelte aufmunternd über den Tank als wolle sie sagen, spring' doch bitte an.
Der nächste Anlaßversuch brachte nach drei Mal Orgelei Erfolg und die Maschine lief kurz, ging danach gleich wieder aus und ließ sich nicht mehr zum Anspringen überreden. Sie war wohl ein bißchen sauer, daß sie so lange nicht mehr ins Tageslicht durfte.
- Abgesoffen! – Dann, gib' ihr weniger Choke. – Och Menno, nix funktioniert! - Jetzt rauch' ich erst Mal eine und wir warten mal ein paar Minuten – Du bist gut, Du hast die Ruhe weg! -
Der nächste Versuch wurde auch nicht mit Erfolg gekröhnt, denn jetzt schwächelte die Batterie.
„Tja, hilft nur noch die Anschiebemethode, rauf mit Dir, ich schieb' Dich!,“ sagte ich.
- Das konnte ich noch nie! Ich zieh' da immer gleich wieder an der Kupplung, wenn's bockelt. Mach' Du das, Du kannst das besser. Ich schieb'. - Nö, ich nehm' den Berg abwärts. – Durch die Siedlung? Da ist rechts vor links und 30! - Da ist doch nur eine, die von rechts kommt, oder? - Ja! -
Gix wohnt glücklicherweise am Hang und ich schickte sie zur nächsten Seitenstraße, damit sie gegebenfalls ein kommendes Auto aufhalten könnte und ich den Schwung nicht verlieren würde. Ich ließ die Maschine mit gezogener Kupplung im dritten Gang bergab rollen, hoffte inständig, daß es funktionieren, das Tempo reichen würde und dann ließ ich mit einem beherzten Schnalzer den Kupplungshebel abrupt raus. Das schien dem Maschinchen Spaß zu machen, denn nun lief sie endlich. Allerdings bockte sie etwas, so als würde sie, das ihr unbekannte Wesen da oben auf ihrem Sitz, einfach abwerfen wollen. Vierzylinder sind einfach nur Diven, dachte ich mir. Ich fuhr eine größere Schleife durch das Wohngebiet und stieg vor der Garage ab. Gix strahlte, zog den Helm und Handschuhe an. Das Vergnügen konnte beginnen.
Nach einem kurzen Tankstop und Reifenkontrolle zahlte Gix und der Kassier kam heraus um sich unser Anschiebespielchen amüsiert anzusehen. Dann fuhren wir die knapp 30 km zum TÜV. Wir waren zehn Minuten über der Zeit, was gar nichts ausmachte, denn dadurch verkürzte sich unsere Wartezeit. Die Gixxer benahm sich ordentlich und sprang per Knöpfchendruck des Prüfers ohne Zicken an, bei der Bremsprobe quietschte sie übermütig, hob kurz frech das Hinterrädchen und bewies spielend ihre Bremstauglichkeit. Die Suzuki kam mit leichten Mängeln, Kette kurz vor der Verschleißgrenze und einem verbogenen Bremshebel, denn der Prüfer wollte uns nicht glauben, daß das der "Ladystyle" sei, neuen TÜV und darf nun wieder am Straßenverkehr teilnehmen. Wir waren froh, daß er die dunkle Masse im Bremsflüssigkeitsbehälter nicht näher angeschaut hat.
Mit leichter Verspätung von einer Stunde starteten wir. Zunächst fuhren wir ein Stückchen über die Staatsstraße, da Gix doch ungewohnt verhalten fuhr, und bogen erst nach etwa 50 km auf kleinere Sträßchen ab. Unsere Route war 165 km lang und führte uns ins Vogtland. Das Wetter war zwar wechselnd bewölkt und zeitweise sah es nach Regen aus, doch unserer guten Laune tat das keinen Abbruch. Nach gut einer Stunde legten wir eine kleine Pause ein und Gix strahlte über's ganze Gesicht.
- Uff, ist das ungewohnt, aber total schön. - Das verlernt man nicht das Fahren. - Nee, verlernt hab' ich's nicht, doch mir tut alles weh. – Was jetzt schon? - Vielleicht sollte ich doch Yoga machen. - Ja, klar, am Besten beim Fahren. - Ich glaub' die Gixxer kommt nächste Woche in die Werkstatt. Die läuft nicht rund. - Gute Idee! -
Gegen drei Uhr nachmittags kamen wir bei Popps an und es gab den versprochenen Käsekuchen mit Kaffee. In ihrem Käsekuchen ist neben Quark auch saure Sahne verarbeitet und er schmeckt traumhaft, himmlisch, köstlilch gut. Wir haben gleich zwei Stückchen davon gefuttert und ich dachte mit Schrecken an die Waage morgen, was die nun zeigen würde?
Gix stöhnte über das Ziehen in den Handgelenken, das Kneifen im Popo und das Pieksen in den Knien. Wir witzelten, daß ältere Damen vielleicht doch keinen Supersportler mehr fahren und auf bequeme Automatik-Sofa-Roller umsteigen sollten. Gix wollte sich ausruhen und daher machte allein ich einen kleinen Abstecher in nahegelegen Tschechei um Zigaretten zu kaufen.
Als ich retour kam, waren Popps und Gix mit der Auswahl an Stoffen für die Nähmaschinentasche beschäftigt und blödelten wie die Teenies herum. Popps hatte Gix in eine rosa Stoffbahn eingewickelt und drapierte gerade einen Blümchenstoff als Hut. Der Oberstoff für den geheimen Plan gefiel ihr recht gut und Popps grinste zufrieden.
Unseren Nachhauseweg traten wir um Viertel nach fünf Uhr nachmittags an, da sich das Wetter zuzuziehen schien. Wir wollten trocken und gemütlich unsere Fahrt absolvieren.
Als Gix vor Abfahrt noch Mal kurz auf der Toilette war, zeigte mir Popps heimlich das Zusatz-Überraschungs-Geburtstagsgeschenk für Gix. Eine sonnengelbe Privileg Top Star Automatik, die sie über den hiesigen Kleinanzeigenmarkt mit tatkräftigem Handeln für 33 € gekauft hatte. Die Maschine war vor zwei Monaten erst bei der Wartung, die Rechnung darüber lag bei. Ich war vor Freude ganz aus dem Häuschen und durfte mir trotzdem nichts anmerken lassen. Das war gar nicht so einfach, denn am liebsten wäre ich mit der Neuigkeit herausgeplatzt und ich muß noch 11 lange Tage den Mund halten – ürgelwürf – das wird schwer! Ich bin nur froh, daß Gix eine Internetverweigerin ist und nur nach dringlicher Aufforderung ihren Rechner überhaupt mal anmacht. Popps packte jeder von uns noch ein Stückchen vom Vogtländer Traumkuchen ein, den wir vorsichtig in die Tankrucksäcke verstauten. Winkend fuhren wir gen Heimat.
Gegen kurz nach acht Uhr waren wir nach flockiger Kurvenfahrt – ohne Pause - mit einigen neckischen Umwegen wieder bei Gix als es zu nieseln begann. Sie wollte gar nicht mehr absteigen von ihrem Möppelgetier, so sehr hatte ihr die kleine Käsekuchentour Spaß gemacht. Tja, Motorradfahren ist wie Nähen, wenn einen der Virus mal gepackt hat, dann läßt er einen nie wieder los.
- Öhm, die Garage ist ja offen. - Dann wirst Du sie wohl nicht zugemacht haben. - Das ist blöd, denn ich hab' meinen Wohnungsschlüssel im Regal liegen lassen. - Keine Panik, Du wohnst in der Pampa! - Werd' nicht frech! -
Wir vesperten gemeinsam und dann entschied ich, ganz gegen meine Gewohntheit, über die Bundesstraße direkt nach Hause zu fahren, denn triefend naß werden wollte ich nicht und Fahren von der Dämmerungen in die Dunkelheit ist auf meinen so geliebten, kleinen Kurvenweglein mit einem Oldie, der die Strecke nicht optimal ausleuchtet, relativ anstrengend geworden. „Ja, ja, das Alter!“, spottete Gix, die gekonnt ihre kleinen Zipperlein nach der ungewohnten Fahrt überspielte. „Ich weiß ja, wer morgen Muskelkater hat!“, frotzelte ich zurück. Ich verabschiedete mich und startete die Güllepumpe.
Petrus hatte ein Einsehen und ich kam nach knapp einer Stunde, zugegeben recht flotter Fahrt , ohne Regentröpfchen abzubekommen, um kurz nach zehn in meiner Garage wohlbehalten, zufrieden und müde wieder an.