Hallo Sabine,
dann will ich auch mal was dazu schreiben ...
Zu meiner Person: Ich bin Informatikerin und trage mich zur Zeit mit dem Gedanken mich selbstständig zu machen im Bereich Schnittmustersoftware.
Finde ich eine wirklich tolle Idee
Von absoluter Wichtigkeit ist mir die Benutzerfreundlichkeit und Einfachheit -- die ist anscheinend selbst bei teurer Software nicht immer so gegeben. Da ich eine Einzelperson bin muss ich mich bei den Features der Software auf exakt das Wesentliche einschränken, dieses dann aber so gut umsetzen dass man alles ohne größere Umstände damit erledigen kann ohne sich ewig mit Installation und Bedienung rumzuärgern.
Na ja, hier kommen wir schon in einen schwierigen Bereich, so die Lücke zwischen Stakeholder, Marketing und Branchenkenntnisse. Für wen soll den die Schnittmuster-Software gedacht sein, also wer ist Deine Zielgruppe?
DIE Hobbyschneiderin dürfte es in diesem - schwierigen Thema - als homogene Masse kaum geben, erlebe ich selber immer wieder überrascht. Ich konstruiere meine Schnitte komplett selber und liebe dabei die Arbeit mit Papier, Kurvenlinealen und Stiften und hasse das Zusammenkleben von 40 Seiten DIN A4 Ausdrucken, viele andere machen das aber viel lieber, als nur einmal zum Stift zu greifen. Nur dazwischen müsste die Software und insbesondere das GUI grundverschieden sein.
Aber Du willst ja Geld verdienen und das nicht als Hobby machen? Geld verdienen wird man eher im professionellen Bereich, denke ich mir. Sehe ich die Profiprogramme bei meinen Kunden, z. B. GraVis, da stehe selbst ich mit offenem Mund staunend davor. Könnte ich mit ein wenig Einarbeitung auch sicher verwenden, aber ganz ehrlich, würde ich gar nicht wollen.
Also Schnittkonstruktion mit Software ... aber WER ist Deine Zielgruppe.
Btw. ich füge das mal an dieser Stelle an. In der Softwareentwicklung reden wir immer von Benutzerfreundlichkeit & Co. und meinen damit die Seite der Eingabe, Erfassung, halt die CRUD-Operationen, schicke und schnelle GUI usw. ... ich kenne aber kaum Diskussionen und Lösungen über die Ausgabeseite. Klar bei einer Faktura klickt man Drucken an und die Rechnung fällt aus irgendeinem Drucker und gut ist, deluxe wird es dann schon, wenn aus einem ESCPOS-Drucker automatisch Versandetiketten fallen oder bei der Inventarisierung die Etiketten für Artikel. Aber mehr????
Für mich ist aber bei der Frage Schnittkonstruktion mit Software die Ausgabe Seite viel, viel entscheidender! Ich habe wohl kaum das Geld für mein Hobby mir einen A0+-PLotter hinzustellen (und auch nicht den Platz, wenn ich mal ein Sofa kaufen sollte), ich werde definitiv NICHT 30 DINA4 Blätter zusammenkleben wollen und wenn ich Samstags Abends mit der Konstruktion fertig bin, dann ich will ich auch nicht den Schnitt an Deinen Plot-Service-Anbieter schicken und DI per Post die Rolle bekommen, dann will ich spätestens SO Morgen zuschneiden.
Überzeug mich mal, dass ich Deine "nur" 500,- Euro ausgeben soll, in dem Du mir aufzeigst, wie mein Schnitt aus dem Rechner auf den Zuschneidetisch kommt? Ich weiss, DIESE Frage ist böse, aber hey, wir reden über Business, da ist ca. 89% böse
Ich bin kein gieriger Mensch, mein Ziel wäre im Grunde nur, in 2 Jahren davon bescheiden leben zu können (Preise von 500 Euro für teilweise antike Schnittmustersoftware halte ich für übertrieben). Nach meinem Abschluss bewerbe ich mich zur Zeit bei IT-Unternehmen zwecks Vollzeitanstellung, aber die Versuchung sich stattdessen selbstständig zu machen ist sehr groß.
Ich finde das ehrt Dich, wirklich meine ich ernst, wo findet man heute noch jüngere(?) Menschen, die eine Idee haben und NICHT gierig sind :Daumen:
ABER ganz ehrlich ... vergiss es, such Dir eine Anstellung in einem Unternehmen, was Du ethisch vertreten kannst und geh arbeiten!
Wir reden über BUSINESS, wir reden noch dazu über Software-Business. Ich denke, jeder der erfolgreich sein will als Selbständiger, als Einzelkämpfer MUSS gierig sein, es geht sonst nicht anders. Kannst Du kaufmännisch Kalkulieren, Businessplan schreiben, halt das ganze Zeug, was man heute braucht? Ich hatte vor 28 Jahren einen Computer und 4 Disketten mit MS Basic drauf ... die Kunden standen Schlange und Kalkulieren hatte man keine Zeit zu, das lief einfach. Heute nicht mehr und schon gar nicht in dem Bereich, wo Du hin willst.
"Bescheiden davon leben" ... das klingt für mich nach einer nur zu gut bekannten Milchmädchenrechnung, "ich würde gerne 3.000 brutto pro Monat verdienen" ... hm, das wären also 12 Lizenzen a 250,- Euro ... das klappt schon. Selbst, wenn man sagen würde, "oh, ich habe Steuer und Sozialabgaben etc. vergessen" nehmen wir mal 24 Lizenzen hinkt das.
Schau Dir mal erfolgreiche Privatanwender Apps/Anwendungen an, gibt z. B. bei Apple immer wieder nette Vorträge, über erfolgreiche Apps und wie die Kunden gewinnen. Icon ist schlecht ... ca. 50% weniger Klick aus die App überhaupt, ... Text, Screenshots, etc. doof ... drastisch weniger Umsatz ... usw.
Ich kalkuliere gerade diverse kleine iPhone-Apps und die sind pillepalle gegen Dein Vorhaben, und ich denke, da laufe ich locker mit dem Faktor 3-4 an Aufwand neben der eigentlichen Erstellung des Programms.
96 Lizenzen pro Monat!
Btw. wie willst Du eigentlich die zwei Jahre überleben, bis Du die Software im Markt hast ... Venture Capital, Kredit von Mutti???? ... das zurück zahlen ...
192 Lizenzen pro Monat
Ich bin im Grunde eher Einzelkämpfer, aber wie jeder andere Mensch auch bin ich weder allwissend noch bin ich in allen Fähigkeiten die man für so eine Selbstständigkeit braucht perfekt
Einzelkämpfer so, so ... 192 neue Kunde pro Monat ... das mind. 200 Anrufe mit "Hilfe ... DAS geht nicht", böse Emails, Geld zurück Forderungen und wenn Du nicht pronto reagierst, dann gibt es die MINUS-5-Sterne Wertung und spätestens danach sind 192 Lizenzen pro Monat Illusion.
Ein normaler Monat mit 40h Woche - klar, die ist für einen Selbstständigen eher ein Running Gag - hat 172 Arbeitsstunden. Sollte jeder der Kundenkontakte auch nur eine halbe Stunde dauern, bleiben Dir noch 72h übrig. Davon gehen noch Fakturierung, Buchhaltung, Mahnwesen, Steuererklärungen, ... runter, Marketing, der Plotter will auch schon wieder nicht drucken, ... ich denke Du wirst dann die eigentliche Arbeit, sprich das Programmieren SA und SO machen müssen
Wenn Du schreibst, dass Du nach Deinem Abschluss überlegst, Dich selbständig zu machen ... hast Du jemals schonmal richtig gewerblich gearbeitet????
Ich hatte letze Jahr eine Praktikantin, Master in Informatik, promoviert gerade ... hatte schon diverse Anstellungen und auch verantwortliche Projekte an der Uni ... eigentlich hätte ich erwartet, dass sie es hätte können und wissen sollen. Im Zuge des Praktikums wollten wir / wollte sie eine iPhone-Anwendung marktreif durch entwickeln von der Idee bis zum (theoretischen) Verkauf. Das war ehrlich schon fast niedlich, wie sie am ersten Tag den Rechner einschaltete und die Entwicklungsumgebung starten wollte ... am zweiten Tag wieder ... am Ende der ersten Woche hat sie dann zumindest vorsichtig gefragt, was sie denn noch vergessen hätte und ob wir vielleicht heute mit der Entwicklung anfangen könnten , durfte sie dann zur Belohnung , obwohl sie eigentlich noch lange nicht so weit gewesen wäre.
Ich weiss, dass was ich hier schreibe ist böse, gemein, unterstellend, zerstört möglicherweise Träume, ... einfach realistisch Wenn Du das gelesen hast und immer noch lächelnd und hoch motiviert vor Deinem Rechner sitzt und Dir denkst, dem alten Sack werde ich es zeigen, DANN hast Du den ersten erfolgreichen Schritt hin zu Deinem eigenen Business getan
Thorsten, der nach 31 Jahren in der Softwareentwicklung (schon in der Schule für die Schule) und 27 Jahren Selbständigkeit (schon vor dem Studium) und als Mathematiker sich manchmal fragt, ob er in Zukunft nicht lieber geile etaProof-Radjacken nähen und verkaufen sollte