Hilfe, jetzt bin ich völlig verwirrt! Irgendwo hab ich mal gelesen, es müsse genau umgekehrt sein: Das Shirt muß einen Daumen breit länger als die breiteste Stelle sein.
Naja, zunächst einmal gilt, dass das Shirt nicht an der breitesten Stelle selbst enden sollte, da es sonst optisch eine horizontale Linie und somit optische Verbreiterung an der Stelle erzeugen würde, wo man eben genau das nicht haben möchte.
Einen Daumen breit entfernt von der breitesten Stelle finde ich zwar meistens auch noch zu wenig (egal, ob darüber oder darunter), weil das immer noch zu nahe dran ist, aber je nach Figur ist es leider oftmals auch nicht anders machbar, so dass dann das minimal kleinere Übel doch immer noch das kleinere Übel ist.
Für die Frage, ob das Oberteil lieber darüber oder darunter enden sollte, ist dann nicht ganz unwichtig, ob wir die Länge bei jemandem bestimmen möchten, der oben herum breiter ist als unten oder umgekehrt:
Bei einer A-Figur mit schmalen Schultern und breiterem "Unterbau" sollten in der Regel oben herum die helleren Farben und ggf. Musterungen getragen werden, unten herum aber eher schlichtere Stoffe, die außerdem dunkler und etwas gedeckter sind als die Farben am Oberteil. Die helleren Farben stechen mehr ins Auge und betonen, dunklere Farben treten optisch zurück, also werden die Proportionen durch diese kleine Farb- und Helligkeitsspielerei ausgeglichen!
Lässt man hier das hellere Oberteil über der dicksten Stelle enden und verbleibt diese somit in der unscheinbareren dunkleren Hälfte, so wird sie nicht extra betont. Verlängert man das farblich auffälligere Oberteil aber so, dass es kurz unter der dicksten Stelle endet, kommt diese Stelle aufgrund der hellen Farben und der doch noch recht nahe an der breitesten Position liegenden Stelle mehr zur Geltung, da wir aufgrund der Helligkeit und Leuchtkraft der Oberteilstoffes eine mögliche "Ausbuchtung" durch Speckröllchen stärker wahrnehmen (je heller und schreiender, desto stärker).
Manchmal kann dieser Effekt allerdings durchaus gewünscht sein, um eine Figur auszugleichen und in die "richtigen" Proportionen zu ziehen (bspw. bei überdurchschnittlich breiten Schultern und einer zu schmaler Hüfte; da möchte man die Hüfte ja ggf. optisch verbreitern, damit man eine sanduhrähnlichere Figur erzielt).
Allerdings wäre es töricht, beim Ausgleichen der Proportionen nur auf die Breiten schauen, denn auch das Längenverhältnis Ober- zu Unterkörper spielt hierbei eine große Rolle. Beachtet man das nicht zusätzlich, kann der optische Ausgleich auch ganz schön in die Hose gehen.
Jemand, der bspw. ohnehin schon sehr kurze Beine hat und zusätzlich unten herum auch noch breiter ist als im Schulter- und Brustbereich, sollte seinen Torso optisch evtl. nicht noch weiter nur zugunsten der Hüftlinie strecken und somit die Beine noch weiter einkürzen. Aber auch im umgekehrten Fall, bei hoher Taille, breitem Hüftbereich und kurzen Beinen, muss man sich fragen, welche Figurbesonderheit hier diejenige ist, die am stärksten negativ auffällt. Das ist in der Konstellation nicht immer zwangsweise dieselbe Stelle, sondern von Person zu Person unterschiedlich! Diese am stärksten negativ auffallende Stelle ist es, nach der man sich beim Ausgleichen richten sollte (quasi major problem vs. minor problem).
Fällt in Unterwäsche ganz objektiv der kurze Oberkörper stärker auf als die breiteste Hüftstelle, so wäre es ungünstig, aufgrund von jahrelang eingetrichterten Hüftkomplexen (überall wird ja immer nur von Bauch-Beine-Po-Komplex geredet, aber habt ihr in einem Magazin oder TV-Beitrag schon mal von Jammereien über zu hohe oder zu tiefe Taillen gelesen?) das hellere Oberteil oberhalb jener Hüftstelle enden zu lassen, um selbige nicht zu betonen, weil man dadurch den eigentlich viel stärker auffallenden kurzen Oberkörper noch weiter einkürzen und quadratisieren würde. (Versteht man, was ich meine? Ich hoffe, ich habe mich nicht verhaspelt. )
Ihr seht: Solche Stylingregeln sind also zwar durchaus hilfreich, können aber keinesfalls als absolutes Dogma gesehen werden! Der Blick in den Spiegel ist daher immer noch unerlässlich, da es eben manchmal doch noch ganz individuelle Figurbesonderheiten (Haltung, Länge, Breite, Röllchenformen) gibt, die so mache Regel wieder über den Haufen schmeißen können. Und da gerade wir Frauen auch gerne an einzelnen Stellen unseres Körpers rummäkeln und uns darauf versteifen ("die Stelle XY zu dick/dünn"), dabei aber das Gesamtbild manchmal aus den Augen verlieren, sind auch Fotos in Unterwäsche oder der Rat eines nahestehenden und ehrlichen Dritten nicht zu verachten.