So, wieder da. Punkt Entwicklung weibliche Bekleidung, die ich genauso wenig unschlüssig finde, wie die Entwicklung der männlichen Beinkleider:
Klar, zu vorrömischer Zeit und teilweise auch darüber hinaus war in Europa die Peplostracht an der Tagesordnung. Ein Kleidungsstück mit ca. 2000-jähriger Erfolgsgeschichte. Teilweise auf einem Rundwebstuhl in einem Stück gewebter Stoffschlauch (Huldremose, Jütland, 2.64m mal 1.68m, nahtlos zum Schlauch geschlossen), so weit, dass die Trägerin darin die Arme koplett ausstrecken konnte, also 2.60 m bis 3.00 m Umfang. Mit Fibeln auf der Schulter zusammengehalten, evtl die obere Kante umgeschlagen, und gegürtet wird das Ding drapiert. Dazu gibt es auch Abbildungen auf der Trajanssäule.
Darüber hinaus sind aus der Eisenzeit (um Chr. Geb.) Röcke bekannt, unter Anderem ein Stück aus Damendorf, 2.10 m mal 0.85 m, 2/2-Köper, mit allen vier Webkanten und zum Schlauch geschlossen. Saum- und Bundkante wurden mit einer fest gezirnten Wollschnur verstärkt, der Bund war in Falten gelegt. Dazu gehörte eine Bluse, darunter eine Hüfthose, knapp überknielang und darüber ein Mantel. So wurde es in Dätgen gefunden. Leider war die Moorleiche zerstochen (vom Torfgräber übersehen) und der Brustbereich nicht erhalten. Von der Bluse sind die Ärmel übrig.
Quelle: K. Schlabow: "Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland", Karl Wachholz Verlag, Neumünster, 1976
Springen wir ein paar Jahrhunderte weiter, ins 5. Jh. nach Krefeld. Auch da wurde in einigen Gräbern noch die Peplostracht gefunden. Allerdings mit einigen Änderungen, die im römischen Einfluss begründet liegen. Während zu früheren Zeiten noch die großen Bügelfibeln zum Verschluss des Peplos an den Schultern dienten, finden sich in dieser Position nun römische Kleinfiblen. Also Scheibenfibeln in Vierpass- oder Rosettenform, etwa 3-5 cm im Durchmesser, oder auch Tierfibeln. Die Bügelfibeln werden behalten, verändern aber ihre Position und finden sich zum Verschluss des Cingulums, eines breiteren Stoffgürtels, im Beckenbereich. Gleichzeitig scheint allerdings eine neue Mode aufzukommen, die in der Literatur mit Vierfibeltracht beschrieben ist. Das Kleinfibelpaar wird auf der Brust getragen, eine Fibel etwa auf Höhe der Schlüsselbeine, die andere darunter, irgendwo zwischen dem Ende des Brustbeins bis eine Hand breit darüber. Das Paar kann auch ungleich sein, wobei die höherwertige Fibel sich häufiger in der weniger prominenten unteren Position findet. Das eröffnet die Theorie, dass die untere Fibel das Obergewand verschließt und die obere das sichtbar getragenen Unterkleid. Wir befinden uns jetzt im 6. Jh.. Diese Änderung in der Mode ist nur mit dem römischen Einfluss und der Übernahme des Tunikakleides zu erklären. Die Bügelfibeln bleiben im Beckenbereich und wandern mit der Zeit immer weiter runter zwischen die Oberschenkel. Dazu gibt es mehrere Rekonstruktionen, unter Anderem die sehr prominente von G. Clauss, die alle vier Fibeln und den Gürtel verwendet, um ein Mantelkleid zu verschließen, das vorne komplett geöffnet ist, angelehnt an das Arnegundegrab (allerdings noch nach der alten Interpretation, in der die Schichtabfolge nicht ganz klar ist). Dagegen spricht meiner Ansicht nach auch der Fund von Bopfingen, Grab 129, der die klassischen 4-Fibeltracht zeigt, wo sich jedoch eine Reihe von 12 Glasperlen an die untere Kleinfibel anschließt und bis zur Gürtelschnalle reicht. Leider wurden die Perlen nicht in der Ausstellung im Allamannenmuseum zusammen mit den restlichen Funden gezeigt worden, so dass ich über Form und Größe nichts weiß, ausser dass der Ausgräber sie als Fliegenschisse (entschuldigt bitte den Ausdruck) in der Zeichnung vermerkt hat. ich gehe dennoch davon aus, dass das Oberkleid bis zum Bauchnabel zu knöpfen war. Ich weiß, dass das Allamannisch ist, aber die Lage des Trachtzubehörs unterscheidet sich im 6. Jh. nicht von der in fränkischen Gräbern und änliche Befunde gibt es auch aus Frankfurt-Harheim. Das Reallexikon der germanischen Altertumskunde schlägt an der Stelle die Position der Büglefibeln auf der Mappa vor, an der sie nur noch Schaucharakter haben. Das ist auch mit der geringen Funddichte vereinbar, nur ca. 20 % aller Frauengräber (mit regionalen Unterschieden, ist also nur eine Hausnummer) weisen Bügelfibeln auf. Mir sind auch keine minderwertigen Bügelfibeln bekannt (bis auf ein Grab einer Greisin, das ist aber eh ein Ausnahmefund), möglicherweise handelt es sich zu der Zeit nur noch um ein Statussymbol, das daher auch keine "tragende" Bedeutung mehr hatte. Diese Tracht war eher weit, wie auf dem Kästchen von Pfahlheim dargestellt (Angesprochen werden die Figuren als "Engel", wegen des "Halos" um den Kopf. Dieser ist allerdings über die Arme verlängert und erinnert damit an die Angabe der Haare oder eines Schleiers. Zudem weisen die auf der Brust liegenden paarigen Fibeln die Figuren eindeutig als weiblich aus, während Engel zu der Zeit grundsätzlich männlich waren). Während die Röcke im 6. Jh., noch Knielang getragen wurden, werden sie zum 7. Jh. hin länger und später knöchellang, was an der Lageveränderung der Riemenzungen der Wadenbindengarnituren und an der mangelnden Verzierung der Schnallen in Wadenlage zu erkennen ist. Die Klein- und Bügelfibeln verschwinden nun, und auf der Brust wird eine größere Scheibenfibel gefunden. Die Fundlage entspricht den Darstellungen im Stuttgarter Psalter aus dem 9. Jh., die Tracht bleibt offenbar über 200 Jahre so bestehen. Auch gibt es noch die Darstellung kurzer Ärmel des Obergewandts über langen Ärmeln des Unterkleides, das Kleid wird noch weit getragen. Ganz ähnlich sind auch die Darstellungen in der Manesse aus dem 13. Jh., nur dass sich die Verzierungen geändert haben.
Erst im 14. Jh. kommen die von dir angesprochenen engen Kleider auf. Wenn die Unterkleider als Miederkleider angelegt waren, ist eine Brustbinde natürlich unnötig, denn dann ist die BH-Lösung integriert. Genauso ist ein BH unnötig, wenn ein Korsett getragen wird. Bei den weiten Kleidern des frühen und hohen Mittelalters sieht das natürlich ganz anders aus, das Brusttuch als Brustbinde zu interpretieren halte ich für äusserst sinnvoll. Vielen Dank für den Hinweis, darf ich dich um die Quelle bitten?
LG Trinschen