Normalerweise kleide ich mich eher individuell, liebe bunte Farben und modische Schnitte. Und obwohl schwarz für mich immer noch eine sehr ungeliebte Farbe ist, hat es sich für mich als unbezahlbar erwiesen, dass ich mich für eine Beerdigung einmal komplett neu eingekleidet habe.
Vor 20 Jahren, nur ein paar Monate nachdem wir in unser Haus eingezogen waren, klingelte eine (mir bis dahin unbekannte) Nachbarin an meiner Haustür und wollte von mir eine Unterschrift auf einer Trauerkarte und eine kleine Spende für einen Blumenkranz. Der Mann einer sehr netten Frau, die unsere Familie sehr herzlich in der neuen Umgebung willkommen geheißen hatte und uns in vielen alteingesessenen Familien in der Straße "eingeführt" hatte, war nach langer Krankheit gestorben.
Ich war momentan so überrascht, dass ich ohne groß nachzudenken, die Karte unterschrieb und 20,-DM bezahlte, obwohl ich den Verstorbenen persönlich nicht kannte. Sie bedankte sich und sagte beim Hinausgehen: "Morgen um 10.00h ist die Beerdigung auf dem katholischen Friedhof, ich hole Sie dann ab, wir können gemeinsam hingehen."
Weil ich noch sehr jung war und nicht wusste, wie ich absagen konnte, oÜhne gleich unangenehm aufzufallen, sagte ich zu. Gleichzeitig fiel mir siedend heiß ein, dass ich noch nicht mal eine schwarze Hose in meinem Kleiderschrank hängen hatte, denn ich konnte schwarz einfach nicht ausstehen. Ich wollte aber auch nicht viel Geld ausgeben für Sachen, die ich ziemlich sicher nur ein einziges Mal tragen würde...
War ja klar, das einzige, was ich fand, war eine sündhaft teure Strickjacke und ein langer Chiffonrock in schwarz, beides hätte ich im Normalfall nicht mal angesehen...
... in ebay findet man jedenfalls oft Anzeigen "nur bei einer einzigen Beerdigung ein paar Stunden getragen".
...Ebay kannte ich damals nicht, aber so kurzfristig hätte ich da ja auch nichts bekommen.
Die Beerdigung war sehr groß, sehr katholisch (ich bin evangelisch), mit musikalischer Begleitung durch die örtliche Blaskapelle und Fahnenträgern der verschiedenen Vereine. Das machte mir zunächst ein bisschen Angst, aber meine unbekannte Nachbarin zog mich überall mit, erklärte mir alle Abläufe und war mir eine große Hilfe.
Dieser Tag war für mich ein Schlüsselerlebnis:
Ich lernte alle meine Nachbarn kennen, denn es war wirklich jeder aus der Nachbarschaft da.
Ich erfuhr an diesem Tag eine ganze Menge über die Traditionen hier in meiner neuen Heimat, denn dass ich mit zum Leichenschmauss gehen musste, war keine Frage.
Ich stellte fest, dass der Leichenschmauss schnell zu einer fröhlichen Feier mit vielen lustigen Anekdoten aus dem Leben des Verstorbenen wurde und fühlte mich wohl, obwohl der Anlass ja ein furchtbar trauriger war.
Weil ich mich den traditionellen Gepflogenheiten angepasst hatte, wurde ich auf einmal akzeptiert. Als ich mich von der Witwe verabschiedete, umarmte sie mich ganz herzlich und sagte: "Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind, ich wusste, dass sie gut in unsere Nachbarschaft passen!"
Ich hatte unbewusst alles richtig gemacht, war auf einmal nicht mehr "die Neue". Dieses Gefühl von "dazu gehören" war unbeschreiblich.
In der Zwischenzeit war ich auf Beerdigungen von sehr vielen Nachbarn und habe sowohl Kleidung für warmes wie auch kaltes Wetter, bis hin zum schwarzen Trauerhut. Auch wenn ich die Sachen nicht oft trage, in klassischen Schnitten, ohne viel modischen Schnickschnack kann man so etwas jahrelang tragen.
Das einzige Zugeständnis an etwas Farbe ist ein bordeauxroter Kashmirschal, den ziehe ich im Winter zu einem schwarzen Mantel an.