...ich mit 16 die Nase voll davon hatte, von den Verkäuferinnen immer an die Kinderabteilung verwiesen zu werden, wenn ich neue Kleidung gebraucht habe. Damals trug ich Gr.32, war ziemlich klein und sehr zierlich und sah aus wie 12. Dabei wollte ich doch unbedingt erwachsen sein und auch entsprechende Kleidung tragen.
Also habe ich mich freiwillig im Handarbeitskurs am Gymnasium angemeldet und konnte schon innerhalb des ersten Monats eine coole Reiterhose aus schwarzem Cordsamt vorweisen, die seitlich mit Ösen geschnürt wurde. Damals der "letzte Schrei"!
Das nächste Projekt war ein Cocktailkleid aus fliederfarbenem Satin, den ich (als blutiger Anfänger) ohne Nachzudenken gekauft hatte, weil ich die Farbe sooo toll fand.
Meine Handarbeitslehrerin hat einmal kurz geschluckt, mich angesehen und mir dann versichert: "Das kriegen wir hin!" Und so war es dann auch, das Kleid war der Hammer und ich war vom Nähvirus infiziert.
Innerhalb meiner drei letzten Schuljahre hat mir Frau R. wirklich tolle Grundkenntnisse vermittelt, mir den Sinn für akurates Arbeiten beigebracht und nie mit Lob und Anerkennung gespart. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar und auch wenn Gr.32 heute Gr.38 ist, freue ich mich über jedes neue Kleidungsstück, das ich individuell nach meinen Vorstellungen anfertigen kann. Wenn ich mal längere Zeit in meinem Nähzimmer verschwinde, weiß meine Familie inzwischen, dass ich ein schwieriges Projekt in Arbeit habe und nicht gestört werden möchte.
Frau R. und ich - wir sind nach 30 Jahren immer noch befreundet!