Disclaimer
Ich hoffe, ich kann das was ich meine einigermaßen verständlich ausdrücken und habe keinen Denkfehler gemacht.
Fürchte aber, es wird spätestens ab dem Mittelteil verwirrend weil technisch und zahlenlastig.
Bin sicher, du wirst danach verstehen, warum ich persönlich Sloper heutzutage drapiere und nicht mehr konstruiere.
Aber vielleicht hilft dir mein Sermon trotzdem, tiefer in die Materie einzutauchen.
Nachmessen kann ich natürlich weder deine Körpermaße noch die im konstrierten Schnitt, aber es sieht auf den ersten Blick nicht so aus, als ob du einen Zeichenfehler gemacht hättest. Du hast VL2 von Punkt 19 aus abgetragen und nicht VL1, ja?
Ich vermute, es kommt einiges zusammen. Offensichtliches wie die von Posaune angesprochene große Differenz zwischen VL1 bzw. VL2 und RüL, aber möglicherweise auch Kleinigkeiten, die sich aufsummieren können. Zu VL2 schreibe ich am Ende noch was.
Generell würde ich systematisch alles durchgehen bzw. hinterfragen, was die Lage (also die x- und y-Koordinaten) der Punkte sHlP und SuP beeinflusst.
Als da z.B. sind:
- Die große Differenz zwischen VL bzw. VL2 und RüL bedingt, dass die Punkt 20 und in Folge auch der sHlP auf der y-Achse recht weit über die der Schulterlinie bzw. Punkt 23 (die maximale Krümmung der partiellen Kreisbogenlinie) hinausragen. Wenn kein Abnäher diese Differenz aufnimmt, wird die Schulternaht immer recht steil aussehen.
- Dann gibt es noch ein paar andere Dinge, besagte Kleinigkeiten.
Zum einen die Weitenzugaben bei PK 7 und wie sie die x-Koordinate von Punkt 13 und folglich 20 beeinflussen. Dafür innerlich einen Schritt zurücktreten und folgendes Gedankenexperiment machen:
Punkt 13 zeichnet man von der Seitennaht ausgehend nach links (x-Koordinate) und winkelt nach oben die vordere Armlinie ab, auf der man dann schließlich Punkt 23 einzeichnet.
Je näher du Punkt 13 bei gleichbleibender Strecke 13-23 (die der von Punkt 10-18 entspricht) an die vordere Mitte heranzeichnest, desto steiler wird die Seitennaht bei gleichbleibendem sHlP. Näher an die vordere Mitte bedeutet eine größere Strecke von der Seitennaht aus.
Bei gleichbleibedem ArD gilt also: Je großzügiger die Weitenzugabe, desto näher rückst du Punkt 13 an die VM. Bei PK 7 um ca. 2/3 cm näher als bei PK 3.
- Weitere, aber viel grundsätzlichere Kleinigkeiten:
Brustbreite, Rückenbreite, Halslochbreite, Armdurchmesser, Armlochtiefe und Schulterbreite sind bei Hofenbitzer für die Konstruktion eigentlich alle errechnet , obwohl er manchmal auch angibt, wie man sie messen kann.
Allen Maßen gemeinsam ist, dass sie die Lage der verschiedenen Linien und Punkte beeinflussen und ich kann dir aus Erfahrung sagen: Bei mir stimmen die berechneten Maße oft nicht mit denen meines real existierenden Körpers überein. Ergo ist auch das Ergebnis der Schnittkonstruktion meinem Körper nicht so ähnlich, wie es wünschenswert wäre.
Auch das meinte ich, als ich gestern von den wenigen Messpunkten schrieb, die die genaue dreidimensionale Form des menschlichen Körpers nicht exakt erfassen können: Auch hinter Schnittkonstruktionen stecken Annahmen, wie bestimmte Körpermaße sich zueinander verhalten und Körperregionen geformt sind. Wenn ein individueller Körper diese Annahmen nicht erfüllt, sprengt er logischerweise das dahinterliegende Konzept. - Zurück zu deiner Konstruktion:
Die Halslochbreite beeinflusst, wie nah oder fern die x-Koordinate des Punkte sHlP von der VM liegt. Die HlB wird berechnet, aber dein Mann könnte versuchen, sie zu messen, um einen Vergleichswert zu haben. Ggf. rückt sHlPnäher an die VM heran und die Schräge wird weniger heftig.
Schau dir auch mal an, wie deine natürliche Schulterlinie verläuft. Ist es eine schiefe Ebene mit gleichbleibender Schrägung? Oder vom Halsansatz erst ein stärkerer Abfall, dann ein geringerer?
Praktisches Beispiel: sHlP nach Hofenbitzer sitzt bei mir ca. 1 cm weiter weg von der VM als mein Körper ihn benötigt. Und meine Schulterlinie fällt nicht gleichmäßig ab, sondern erst stark, dann schwächer. In meinen Grundschnitten habe ich das entsprechend berücksichtigt.
Abschließend wie angekündigt nochmal zurück zu VL2.
Hofenbitzer errechnet VL2 aus VL1 (gemessen) minus HlB (errechnet). Dieses Maß ist entscheidend für die y-Koordinate von sHlP und somit für die Schräge. Würde ich Hofenbitzers Rechnungen folgen, würde bei mir sowohl Punkt 23 als auch sHlP und Punkt 22 zu hoch sitzen. Mit anderen Worten: Die Erfahrungswerte, die hinter VL2 stecken, treffen auf meinen Körper nicht zu.
Hast du ein Oberteil aus nicht-dehnbarem Material im Schrank, das ziemlich genau rund um deine natürliche Halslinie läuft, wie du es haben willst? Dann lass deinen Mann auf Höhe deiner natürlichen Taille sowohl in der vorderen als auch hinteren Mitte jeweils eine Stecknadel querstecken und jeweils von der Halslinie bis dort messen. Vergleiche diese Längenmaße mit denen, die du konstruiert hast, v.a. die jeweilige Differenz.
Das kann dir Aufschluss darüber geben, inwieweit Hofenbitzers Konstruktionsannahmen bei dir zutreffen.