Das Problem ist wirklich, dass der Erwachsene Mensch schon so ab 12 Jahren das Zeichnen, Malen verlernt, oder sagen wir lieber es sich selbst zunichte macht. Ist das Kind noch völlig unbedarft. Es macht ihm unheimlichen Spaß etwas auf Papier auszudrücken. Dann kommt mit frühestens 8, im Regelfall so um die 12 der Moment, in dem man alles möglichst naturalistisch abbilden will und auch der erste Frust, wenn das nicht klappt. Sowohl in der Schule als auch zu Hause werden Mitschüler/Geschwister gelobt, die das einfach so hinbekommen und jetzt kommt der Todesstoß: Das Kind überlegt sich, warum kann ich das nicht? Bei jedem Strich, das es malt, wird alles logisch durchdacht. Die Striche werden hart und eckig, jeder Millimeter wird mit dem verglichen, was man zeichnen/malen will. Alles wird sofort mit dem verglichen, was man malen/zeichnen will und da findet sich bei jedem Strich etwas, das noch passt. Der Frust wird immer größer.
Dazu kommt, dass wir Westeuropäer sowieso die linke Gehirnhälfte mehr nutzen als die rechte. Logik, Planung, MINT, je mehr, je besser. Sprich dem Zeichnen/Malen geht das Intuitive verloren. Ist auch nicht so schlimm, denn im Regelfall bekommen wir mehr Anerkennung, mehr positive Rückmeldung, wenn unsere linke Gehirnhälfte gut funktioniert. Man sich organisiert auf die Proben vorbereitet, Wahnsinn, als Mädchen eine gute Note in Mathematik, Chemie, Physik - erschreckend, ist aber heute immernoch so. Das Zimmer aufräumt, etc.
Deshalb gibt es auch solche Bücher zeichnen lernen, die behaupten ihre Methode würde zum Erfolg führen und alles wird in geometrische Formen zerlegt. Hier ein Kreis, daran eine Ellipse, dort ein Dreieck noch vier Rechtecke in dem Winkel und du hast eine Katze. Ja, klappt bei vielen, aber wenn man das dann ansieht kommt doch irgendwie der Frust, denn was auf dem Blatt ist ist seelenlose und einheitlich. Aber so ist die Natur nicht, das spürt man und wieder Frust. Einige sind zufrieden, denn vorher wäre beim Zeichnen einer Katze ein in ihren Augen unförmiges Etwas herausgekommen.
Nicht umsonst ist Betty Edwards Buch mit dem zeichnen mit der rechten Gehirnhälfte damals so eingeschlagen. Es ist natürlich inzwischen auch klar, es ist nicht alles so ganz getrennt, aber ihr Ansatz hat vielen geholfen, plötzlich einen Zeichenerfolg zu haben und vor allem zu spüren dass da etwas anders ist. Wer einmal ihre Übungen gemacht hat, mal an die eine Zeichnung von Picasso so herangegangen ist, wie sie das vorgibt und plötzlich feststellt, he Wahnsinn, das geht, ungewohntes Gefühl dabei im Hirn, aber das Ergebnis ist unglaublich, das habe doch nicht ich gemacht, für den ist es oft ein neuer Startpunkt zum Malen/Zeichnen.
Ich habe das schon öfter mit Jugendlichen gemacht und es ist manchmal wirklich schwer, sie auf die rechte Gehirnhälfte zu bekommen, denn etwas nicht zu hinterfragen, einfach fließen zu lassen, das haben sie selbst als 15jährige schon seit einem halben, manche sogar einem ganzen Jahrzehnt nicht mehr gemacht. Aber wenn es dann klappt, dann leuchten die Augen. Dann wollen viele mehr davon.