Also gut, wenn ihr auch Romane lest, hier, was ich als Antwort auf Hedwig verfasst habe.
Hedwig, das ist leider etwas weiter von dir weg. Es ist in Bayern in Oberfranken und kann leider nicht ohne längeren Aufenthalt gemacht werden. Denn die einen öffnen nur am Freitag, die anderen am Dienstag, der nächste alle zwei Wochen am Samstag, andere nur mit Vorankündigung, in ein paar Verkäufe kommt man nur, wenn man Beziehungen. Mein Patenonkel war in der dortigen Textilindustrie tätig. Es geht um den Raum Helmbrechts, Münchberg, Naila und Hof.
Das war lange Zeit eines der großen Textilindustriezentren und ging dann fast auch unter. Mehrere Jahre Masseninsolvenzen. Aber einige überlebten, anderes gab es plötzlich und aktuell ist dort wieder viel am Laufen.
Dazu kommt, dass manches einfach Glückstreffer sind, die nicht offizielle Werksverkäufe haben, sondern durch die ich durch Zufall oder auch persönliche Empfehlung gekommen bin.
Für mich ist das wie eine riesen Wundertüte, man weiß nie, was man findet. Ich hatte früher familiäre Beziehungen dahin, nun lebt leider keiner mehr, aber so einige offene Türen gibt es noch.
Zwei feste, für jedermann erreichbare Anlaufstellen liegen direkt nebeneinander: Stoffwerk und Stofffabrik in Helmbrechts. Die Stofffabrik bietet Möbelstoffe und Heimtextilien. Da habe ich Stoffe gefunden, die ich später bei JAB-Anstoetz in der aktuellen Kollektion gefunden habe. Dort für 20 Euro in Überbreite, im Laden war dann vor der 2 noch mindestens eine Eins. Auch absolut verrückte Sachen, die ich dann in Berichten über exklusive Möbel auf Messen erkannt habe.
Das Stoffwerk ist verrückt. Man kommt herein und denkt, was ist das denn? Da gibt es doch nur Klamotten und zwar Massen. Wenn man sucht, wunderbare Sachen zu unglaublich günstigen Preisen, auch bekannte Marken, aber eben auch Sachen, die man als Putzlappen oder für den Altkleidercontainer ins Auge fassen könnte.
Auch Accessoires, gar kein Problem. Die hatten z. B. einige Bao Bao Issey Miyake Taschen bevor sie ein Hype wurden zu günstigen Preisen und zwar Originale, die wohl auch in der Farbkombinationen nicht in Produktion gingen.
Dann findet man hinten die Regale mit Stoff. Auch da fast so wie bei der Bekleidung beschrieben. Viele Stoffe von geht so über Basics bis Kopfschütteln und dann sieht man echte Stoffträume. Seidenstoffe mit minimal Elasthan, die so wunderbar fallen. Drei Alta Moda Label hatten sie in ihrer Kollektion. Oder ich fand einen Jacken - oder Mantelwollstoff, der wie aufgepresste riesige Rosen hatte. Aber das war nicht gepresst, sondern herausrasiert. So nenne ich es nun mal, weil ich nicht weiß, wie die Technik heißt. Also die Wollhärchen wurden dadurch unterschiedlich lang.
Weder Stofffabrik noch Stoffwerk sind Werksverkäufe. Es sind Outlets mit Ware, die in der Gegend produziert oder veredelt wird.
Gleich um die Ecke von Helmbrechts ist dann Zuleeg. Aktuell haben die dort einen Reflektorjeans, der ist auch in ihrem Onlineshop. Da wird man nachts sicher gesehen und mein Patenkind findet es so cool, dass sie damit mit Jeans endlich in ihre bevorzugte Disco kann und dann dort der Hingucker ist. Ich liebe deren Sommerwollstoffe. Im Sommer wie dieses Jahr besser als jede Baumwolle. Und deren Leinenstoffe, wunderbar. Einziger kleiner Nachteil: Ihre Farbpalette ist doch etwas konservativer.
Aber auf die Öffnungszeiten achten und besser anrufen. Es ist ein echter Werksverkauf. Preise natürlich anders als im Onlineshop.
Fahren wir Richtung Hof gibt's in Schauenstein Frohn Heimtextilien. Da ist es auch wieder typisch, wie die Textilindustrie dort überlebte: Hightechstoffe für den Medizin- und Industriebereich, derenErfahrung dann in Stoffe für Heimtextilien aus Naturstoffen Einzug hielt. Entgegen dem Namen hat Frohn auch Bekleidungsstoffe. Das sieht man andeutungsweise auf ihrer Webseite.
Dann gibt es noch einige Werksverkäufe mit Schwerpunkt Dekostoffe und Funktionsstoffe. Nur gerade da finde ich immer wieder einmal Stoffe für Bekleidung. Eine Verkäuferin dort meinte einmal, sie stellen auch für Esprit Stoffe her. Ich nenne da einmal Neutex und Stöckel & Grimmler in Münchberg sowie Reingruber in Schwarzenbach.
Da kann man nichts für sich finden oder Stoffe, die man für Patchwork nutzen kann oder eben Bekleidungsstoffe. Also da finde ich nicht immer etwas, aber wenn, dann richtig schöne Sachen.
Dann ist es manchmal verrückt, denn zum Beispiel eine Fabrik in Hof stellt eigentlich Strickwaren her. Decken, Schals. Aber für den hauptsächlich arabischen und russischen Raum, sowie einem Alta Moda Label in Italien. Im Werksverkauf findet man traumhafte Schals, Tücher und Decken. Decken, die im Laden über 2000 € kosten, bekommt man dort zwischen 100 und knapp 400 €.
Dort bekomme ich dann auf Nachfrage Kaschmir- und hochwertigste Lammwollstoffe sowie passende Seide, die sie zum Füttern nutzen. Die bekommt aber nicht jeder zu sehen. Und man muss immer auf Überraschungen gefasst sein. So wurde ich gefragt, ob ich auch an Stoffresten interessiert wäre. Plötzlich standen drei volle solche riesigen Müllsäcke vor mir bis oben hin gefüllt mit was sie Stoffreste nannten: die kleinsten Stücke waren 30x40 cm. Ich fragte dann, was das denn kostet und bereitete mich auf das Durchwühlen und Heraussuchen in den "Müllsäcken" vor. Da meinte sie, ob ich auch Interesse an einem Sack hätte, das wären 20 Euro und der eine wäre nicht so voll, der wäre dann günstiger - richtig, den konnte man oben noch zuhalten, bei den anderen ging das nicht. Ich bekam die 3 Säcke für 40 Euro und die Überraschung kam zu Hause. Zwei komplette gewebte Kaschmirschals. Da war es gut, dass ich mir auch wunderbare Seide in meiner Gier dort für 10 Euro den Meter gekauft hatte. So konnte ich die Rückseite, wie sie das machen, mit Seide füttern. Ich fand auch so große Stücke, dass ich mir einen Blazer aus einem Kaschmir-Wolle-Mix nähen konnte. Dazu einige Teile mit entsprechenden Teilungsnähten, da sieht man nicht, dass es aus Restestücken ist und für meine Patentochter einen richtig coolen Patchworkmantel.
Manchmal fliegt mir das einfach so zu. Wir sitzen in Selb in einem Café, dessen Eigentümer sich seinen Kaffee selber röstet und das Café teilweise lustig mit vielen Teddies und Kaffeesäcken dekoriert hat. Da sehe ich auch ein paar handgemachte Teddies und frage, wer sie denn gemacht hätte (ich nähe selbst ab und zu einen). Da meinte er seine Freundin. Sie würde da immer in einem winzigen Kaff bei Marktschorgast den Plüsch kaufen. Er telefonierte mit ihr und gab mir die Adresse. Also fuhr ich hin und dachte ich wäre veräppelt worden. Eine Firma, die irgendwelche Synthetik-/Baumwollsachen für Industriereinigung herstellt. Sah zwar auch teilweise wie Plüsch aus, aber nicht für Teddies. Ich wollte gerade wieder ins Auto steigen, da sprach mich ein älterer Mann an. Er musste dann lachen und meinte, was sie da auf den Maschinen laufen lassen, ist eigentlich egal. Es käme auf die Grundstoffe an. Es war der Seniorchef. Und ja, sie würden für zwei bekannte deutsche Teddyhersteller Mohairplüsch herstellen. Das wäre mit ihr Urgeschäft gewesen, auch die Mohairstoffe früher für die Mäntel. Aber das hätte sich nicht mehr gelohnt und so sind sie nun zu einem weltweit führenden Hersteller für Reinigung, Isolationsgewebe für Industrieschutzbekleidung, diese Flore auf Lackierrollen, auch für Druckmaschinen, selbst dieser rote Fusselfangstoff, den doch einige Staubsaugerhersteller an Sonderdüsen haben, stammt ursprünglich von denen. Und dann führte er mich in einem Raum, da fiel ich fast um. Jeder Teddynäher kommt sich dort im Paradies vor. Wer die Preise beim Schulte Werksverkauf (sie stellen Mohair für Steiff her) in Duisburg kennt, fühlt sich hier gleich noch paradiesischer.
Dann fragt er mich noch, wenn ich auch selbst Bekleidung nähe, vielleicht könne ich mit einem älteren Rest etwas anfangen. Wir sprechen von 10 m - klar bei Herstellern ist das ein Rest - dicken Wollstoff. Ein Test damals für Frankenwaldplaid (gibt es leider nicht mehr, war damals bis Anfang der 90er ein exklusiver Wollstoffhersteller). Die wollten etwas leicht Gefilztes mit etwas luftigerem Aussehen. Also wurde feinster, dünner Wollplüsch auf eine besondere Art gewalkt. Heraus kam der Stoff in traumhafter Farbe zwischen Weinrot und Bordeaux. Ein ganz besonderer Mantelstoff.
Fazit: Von leckeren Kaffeebohnen über Teddys zu Mohairplüsch für Teddys, um dann auch noch einen hochwertigen, ausgefallenen auch heute noch hochmodernen Mantelstoff für Ben Appel und Ben Ei zu finden, das ist die Gegend da oben.
Wie gesagt, die Region ist für mich eine Riesenwundertüte.
Die Knopfhersteller aus Glas, Bein, Horn, Porzellan/Keramik und Holz gibt es zwar nicht mehr, aber es gibt noch Firmen, die nun in den Gebäuden sind und auf Nachfrage die immer noch vorhandenen Lagerbestände verkaufen. Auch Wolle kann man dort bekommen.
Aber nun genug. Das ist eh schon ein Geschriebsel in Buchumfang geworden. Ich hab immer, wenn mir noch etwas eingefallen ist, weitergeschrieben...