Hallo zusammen,
wenn Ihr erlaubt, wärme ich dieses uralte Ding mal wieder auf, wegen neuem Erkenntnisgewinn.
Der bisherige Stand hier war in kurzer Zusammenfassung, dass die Geradstichplatte wegen ihres kleinen Lochs gut für sehr dünne Stoffe ist, weil das dünne Zeugs nicht so leicht dort hinein gefressen wird. Über die Rolle des Geradstichfusses ist nicht so ganz viel herauszufinden gewesen. So weit, so gut.
Dennoch hat mir das Thema keine Ruhe gelassen. Ich hatte Gelegenheit, als Gast auf einer Profi-Geradstichmaschine zu nähen. Und die ganze Zeit geisterte seit dem die Frage in meinem Kopf herum, warum sich das so viel besser angefühlt hat als bei mir zuhause. Auch ohne ultradünne Stoffe...
Neue Nahrung haben meine Grübeleien durch die tollen Berichte zur Janome 6700 bekommen. (Profi-)Geradstichplatte mit Schnellverschluss auswechselbar. Dazu der passende Fuß, schmal wie auf einer reinen Geradstichmaschine. Klar, schmal darf er sein. Aber muss er auch schmal sein? Mein Brother-Geradstichfuß ist nicht schmal, sondern genauso breit wie der Standard-Zickzack-Fuß:
Warum bleibt aber bei mir mit diesem Fuß das Aha-Erlebnis aus?
Nach einigem Grübeln schließlich der Ansatz: Das Wort "Geradstich" hat bei mir ziemlich falsche Assoziationen hervorgerufen. Sinngemäß: Geradstich heißt geradeaus Nähen. Ist aber Unfug. Natürlich kann mit einem Geradstich auch ganz wunderbar um Kurven und Ecken nähen. Und hier kommt die Fußbreite ins Spiel:
Bei Ecken im Nahtverlauf ist ja noch alles ganz einfach. Nadel unten, Füßchen hoch, Stoff drehen, Füßchen runter, weiternähen. Bei Kurven ist das nicht ganz so einfach, wenn man nicht nach jedem einzelnen Stich das Füßchen anheben will. Hebt man aber das Füßchen nicht an, schiebt man gerne mal auf der Kurveninnenseite eine Stoffwelle vor sich her. Je enger der Radius, umso ausgeprägter. Das kann dann schon mal schiefgehen, und man fängt sich ungewollt eine Falte ein. Im Produzieren solcher Falten bin ich ziemlich gut.
Theorie: Nicht so beim schmalen Geradstichfuß: In der Kurve muss ja der Stoff auf der linken Seite des Fußes einen anderen Weg zurücklegen als auf der rechten Seite. Der Transporteur schert sich aber nicht darum und fördert den Stoff mit jedem Stich auf der gesamten Breite des Fußes gleich. Deshalb die Wellenbildung. Bei einem schmalen Fuß ist aber der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Kurvenaußenseite und Kurveninnenseite kleiner als bei einem breiten Fuß. Soll heißen, je schmaler der Fuß, umso besser kommt man damit um die Kurve.
Problem: Für meine Brother NV1100 gibt es keinen schmalen Geradstichfuß von der Stange zu kaufen. Ich wollte es aber wissen. Also war Selbsthilfe angezeigt:
Füßchen im Schraubstock eingespannt, zwischen zwei Sperrholzresten zur Kratzervermeidung. Und dann mit der Feile ritze ritze ...
Ergebnis:
Die Breite habe ich auf knapp 10mm runtergefeilt, sodass das gepimpte Geradstichfüßchen im eingebauten Zustand nur noch auf den Transporterzacken unmittelbar links und rechts vom Stichloch aufsteht:
Und jetzt endlich stellte sich der oben vermisste Aha-Effekt ein. Kurvennähen geht jetzt quasi wie von selbst. Gerade so (für mich jedenfalls) schwierige Sachen mit mehreren rutschigen Lagen (Hemdsaum entlang einer kurvigen Linie) oder mit unterschiedlichen Krümmungen (konvexe Armkugel in konkaven Armausschnitt) gehen jetzt erheblich leichter von der Hand. Und meine bisherigen Sorgen um Wellen und Falten haben sich mehr oder weniger erledigt.
Die darunter befindliche Geradstichplatte hat eigentlich für meine Anwendungszwecke keine besondere Bedeutung. Das Nähergebnis sieht mit der einen wie mit der anderen Platte gleich aus. Ich verwende die Geradstichplatte eigentlich nur deswegen, weil sie von der Maschine automatisch erkannt wird, so dass nur noch Nadelpositionen in der Mitte erlaubt sind. Kann man natürlich auch händisch mit der Originalplatte so einstellen. Aber es hilft, in spätabendlicher Dusseligkeit nicht aus Versehen Nadel und Fuß zu ruinieren.
Ich hoffe, es gefällt.
Gruß,
Stefan