Hi!
Long time no see
Nachdem ich arbeitsbedingt und aufgrund der Versorgung meiner 70+ Eltern an den Wochenenden meist nicht zum Nähen gekommen bin, hat sich das Projekt etwas gezogen. Ich habe mittlerweile etliche Versuche durch, bei ultra-dünnem und mega-knitteranfälligem Stoff die richtige Kombination zum Besticken zu finden und habe am Wochenende die Hosenteile (fast) fertiggestellt.
Hier zum einen meine Erfahrungen, aber auch noch eine Frage an Euch, da ich niemanden habe, die/der über a) die notwendige Erfahrung verfügt und b) das ästhetische Verständnis hat. Beides finde ich bei Euch sicherlich viel eher
Erfahrung:
- Der zu bestickende Stoff ist ein poly-irgendwas coated Stoff, eine Seite dezent glänzend, die andere Seite matt. Der Stoff dürfte irgendwo um die 50 Gramm / qm liegen, ist also extrem fein, aber auch sehr reißfest. Normalerweise wird er z.B. für Winter-Daunenjacken als Außenstoff verwendet. Beim bloßen Anschauen bekommt der Stoff Falten.
- Markieren: Prym Aqua Trickmarker weiß. Hinterläßt zwar eine leichte Spur nach Entfernung mit Wasser, aber da muss man schon wissen, wo man vorher gezeichnet hatte, um das nachträglich zu erkennen. Der Verschleiß ist allerdings relativ hoch (speziell wird die schöne Spitze schnell stumpf), und auf gestepptem Stoff zeichnet er nicht mehr so umwerfend in bereits gebrauchtem Zustand. Vertikal lagern soll die Lebendauer verlängern.
- Bügeln: Bügeln mit Dampf: No Go. Stoff zieht sich an den Stellen mit Dampf zusammen. Bügeln mit einer Philips Bügelstation mit einer nicht einstellbaren Temperatur: Ebenfalls no go, das Coating wird matt (auch wenn man auf der linken Seite bügelt). Absaugbügeltisch mit kleinen Löchern kann man auch vergessen, da man dann die Abdrücke der kleinen Löcher sieht. Also: alles extrem empfindlich. Mit einem alten Bügeleisen knapp unterhalb von Stufe 1 zwischen zwei Lagen glattem Backpapier habe ich den Stoff allerdings gut gebügelt bekommen. Vermutlich wäre hier eine Cricut EasyPress optimal gewesen, da hier die Temperatur genauer regelbar und gleichmäßiger verteilt ist. Zur Not ging es aber auch so.
- Sticken: Ich habe so ziemlich alles an Stickvlies-Arten ausprobiert, was es am deutschen Markt zu kaufen gibt. Schneid-, Reiß-, Wasserlöslich-, aufklebbar-, Folie, you-name-it. Geworden ist es ein aufklebbares Stickvlies von Madeira in der Großhandelsaufmachung auf Rolle, 50 cm breit. Das wird dann vollflächig verklebt (Unterseite), man stickt das gewünschte Motiv, und zieht dann später auf der gesamten Fläche wieder das Vlies ab.
- Stickmotiv: Die Art, wie das Stickmotiv aufbereitet ist, spielt eine wesentliche Rolle, ob der Stoff nach Entfernung des Stickvlieses anfängt nur ganz leicht Falten zu werfen, oder quasi direkt in die Mülltonne wandert. Sowohl die darunterliegende Struktur (Zick-Zack), als auch die Stickdichte und Breite der jeweiligen Stiche ist entscheidend für ein gutes Ergebnis. Insgesamt habe ich je nach Motiv bis zu 8 Versuche gebraucht, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Dabei habe ich mir Hilfe von einer Freelancerin geholt, die sich auf Embroidery Design spezialisiert hat. Ging hin und her: Sie hat optimiert, ich habe es auf finalem Material gestickt, dann Foto gemacht, dann hat sie weiter optimiert, etc.
- Stickrahmen: Einspannen konnte man aufgrund der Empfindlichkeit des Stoffes vergessen, daher habe ich den Creative Metal Hoop von Pfaff mit Magneten verwendet. Leider kommt der Rahmen nur mit relativ wenig Magneten, daher habe ich weitere bestellt, so daß ich mit insgesamt 8 Rundmagneten befestigen konnte. Um den Druck auch an den Stellen auszuüben, wo kein Magnet sitzt, habe ich aus dünnem Plastik einen Rahmen zugeschnitten, der genau die Größe des Metal Hoops hat. Eingespannt wird dann wie folgt: Metal Hoop, Stoff dazwischen, dann der Plastikrahmen on top, darauf die Magneten. Diese drücken nun den gesamten Plastikrahmen auf den unteren Rahmen, so daß der Stoff gleichmäßig über die gesamte Fläche gehalten wird.
- Sticknadeln: Organ Embroidery Anti-Glue / 75. Faden ist kein einziges Mal gerissen, Motive sind super geworden.
- Stickfaden: Gütermann Sulky Rayon 40.
- Quilten: Hier habe ich das Baumwoll-Volumenvlies 277 von Vlieseline verwendet, das ich mit Sprühzeitkleber aufgeklebt habe. Darunter habe ich Seidenpapier gelegt, damit der Transport gleichmäßig erfolgt und sich nicht im Volumenvlies "verbeißt". Das Seidenpapier wird nach dem Steppen einfach abgerissen. Ein erstes Hosenbein konnte ich nach dem ersten Steppen wegwerfen - die Nähte waren zu ungleichmäßig, mal zu kurz (Mini-Stiche), dann wieder gleichmäßig. Auf einem kleinen Teststück war alles super (30x30), beim Hosenbein dann nicht mehr. Des Rätsels Lösung: Auflagefläche vergrößern, mit beiden Händen gleichmäßig führen, möglichst wenig Stoff überhängen lassen, damit das Gewicht nicht runterzieht. Also größten Quilt-Anschiebetisch gekauft, nochmal probiert, Nähte werden perfekt.
- Generell: Loch-Stichplatte - ich bilde mir ein, dass die Nähte etwas besser aussehen, als mit der Standardplatte (die Creative 4.0 hat einen 9mm Zick-Zack-Stich, die geraden Nähte sehen im Vergleich zu meiner alten "einfacheren" Maschine m.E. nicht ganz so schön aus, mit der Loch-Stichplatte aber etwas besser).
- Weiteres Learning: Immer etwas mehr Stoff kaufen, als man braucht. Aufgrund der Stick-Versuche mit unterschiedlichen Vliesarten habe ich garantiert einen guten Meter (1 x 1,40 m) Stoff für die Tests verbraucht, eventuell auch etwas mehr. Hatte ich glücklicherweise eingeplant.
Und zu meiner Schande muss ich gestehen: Die gestickten Schriftzüge liegen bei mir jetzt auch unter der anschließenden Quiltnaht, wie beim Original. Eigentlich wollte ich die Quiltnähte quasi als "Fake" vor den Stickereien aufbringen, dann Sticken, dann das Vlies druntersetzen und mit transparentem Garn nochmal über die Quiltnähte drübernähen, aber das wird aus 2 Gründen nichts: 1. ist es schwierig, mit dem transparenten Faden exakt jedes vorherige Einstichloch zu treffen, 2. zieht sich durch die Quiltnähte das gesamte Design etwas zusammen, weshalb man bei nachträglichem Quilten (Transparentfaden) mit vorher aufgebrachten Quiltlinien (weißer Faden) nicht mehr die exakten Maße beibehält.
Zu meiner Frage an Euch:
Das Original (Bild hier) hat neben den weißen Stepplinien etwas ober- und etwas unterhalb der Knie noch horizontale Abnäher in schwarzer Farbe (typische Coverlock Doppelnaht, 4mm Abstand). Im Original hat Chanel die Vorderseite des Hosenbeins aus mehreren Teilen (oben, Mitte/Knie, unten) zusammengesetzt - warum hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Die Covernähte dienen dort vermutlich dem Umnähen/Festhalten der innenliegenden Nahtzugabe.
Mein Hosenbein-Vorderteil besteht nur aus einem Teil, so daß auch die Stickereien nicht mittendrin aufhören und andere Stickereien anfangen.
Jetzt überlege ich, ob ich trotzdem quasi als Stilelement nochmal horizontale Steppungen wie beim Original auf Kniehöhe anbringe, oder lieber lassen sollte. Gibt es dafür irgendwelche "technischen" Gründe, dass man hier nochmal absteppt? Werden durch solche horizontalen Quernähte die Kräfte auf das darunterliegende Vlies bei der Bewegung des Beins reduziert?
Würdet ihr nochmal zusätzlich zu den weißen Linien solche Absteppungen vornehmen, oder lieber nicht?
Liebe Grüße,
Marc