ich habe ein paar ganz und gar unwissenschaftliche Reißtests gemacht: Ein Stück Faden an beiden Enden zu einer Schlaufe geknotet, ums Tischbein geschlungen, eine Federwaage eingehängt und möglichst gleichmäßig gezogen.
Moin,
zur Reißfestigkeit von Naht und Faden gibt es auch ein paar mehr oder weniger wissenschaftlichere Untersuchungen.
Gruß Ralf C.
Executive Summary: 30er Polyester Endlosfilamentgarn mit 110er Nadel und 3 mm Stichlänge. Garnrolle und Nahtbereich eventuell mit Silikonöl besprühen. Eher langsam nähen.
Vor ziemlich genau 100 Jahren durfte sich das nähende Gewerbe über einen Geschwindigkeitsschub freuen: "Auf einer Nähmaschine neuester Bauart kann man 1500 Stiche (pro Minute) ausführen, mit Motorantrieb sogar 3-4000.", heißt es im Büchlein "Maschinenähen" von G.Behrendsen aus dem Berliner Springer-Verlag im Jahr 1916. Wenn also eine Geradstichmaschine wie die Brother PQ 1500 als industrieller Schnellnäher beworben oder empfohlen werden oder eine Janome DBX 1600 mit "Sie haben die Nähge- schwindigkeit industrieller Nähansprüche" (O-Ton Janome-Homepage), dann ist das Stand der Technik vor dem 1. Weltkrieg mit Fußantrieb. Als Beispiel für die damaligen Renner nennt ismacs.net die Singer Klasse 95 https://www.youtube.com/watch?v=gkzafincw9k und Albert Gieseler http://www.albert-gieseler.de/…irmen0/firmadet5627.shtml die Pfaff Klasse 101 und 102 mit Doppelumlaufgreifer. Beide von 1912 und mit 3500 Stichen/Minute.
Bevor die Industrie diesen Gedanken weiter verfolgen konnte - wenn man mit einem Doppelumlaufgreifer doppelt so schnell nähen kann; wie schnell kann man dann mit einem Drei-, Vier-, oder Fünffachumlaufgreifer nähen? - kamen ihr der Erste und Zweite Weltkrieg dazwischen mit den aus Mangel an Naturseide entwickelten Kunstfasern und einem neuen Problem: Wenn man Kunstfasern mit hoher Nähgeschwindigkeit kombiniert schmelzen die Fäden durch die Reibungswärme. Wie man diesen Spagat schafft ohne die Grätsche zu machen wird spätestens seit den 50er Jahren wissenschaftlich untersucht:
2010 haben ein paar Bremer Schüler für Jugend forscht die Reißfestigkeit von Garn untersucht. Ihr Ergebnis: Die Festigkeit steigt proportional zur Zahl der Garnfäden. Parallele Fäden sind fester als verzwirbelte Fäden und nasse Fäden verlieren Festigkeit; Ausnahme Baumwolle, die nass eher zugfester wird. http://www.dgzfp.de/Portals/24…fassung%20Bremen_Nord.pdf "Effect of thread structure and lubrication ratio on seam properties" von B. Merica & A. Durmaz vom Department of Textile Engineering, Faculty of Engineering and Architecture, Uludag University, Bursa, Turkey bestätigt die Schülerergebnisse, dass der Faden um so schneller reißt, je stärker er vedrillt ist. Weitere Erkenntnis: Die Stärke der Fadenölung wirkt sich nicht auf Reiß- oder Nahtfestigkeit aus.
Bei Sailrite und anderen Händlern gibt es ein "All purpose Sewer's Aid" für etwa 6 USD für die halbe Unze (15 Gramm). Das Gute bei Sailrite als Anbieter ist, dass sie auf ihrer Homepage auch den Material Safety Data Sheet verlinken. Silikonöl. Gibt's bei Aldi 200 ml für 1 Euro. Amazon-Rezensenten berichten, wie ein paar Tropfen davon auf Omas alter Garnrolle verteilt den versprödeten Faden wieder unproblematisch nähbar machen.
Das Journal of Textile and Apparel, Technology and Management der NC-State University hat in seiner Ausgabe Volume 7, Issue 2, Fall 2011 eine Studie zur Reißfestigkeit von Nähfäden veröfffentlicht: Danach sind Umspinnzwirne weniger belastbar als gleich dicke glatte Garne, und zwar um so weniger, je stärker der Anteil des Umspinnens am Gesamtfaden wird. Umsponnen wird mit Stapelfaden, die sich bei Verarbeitung und im Nähgut vom Kernfaden abreiben und damit die Naht schwächen. Reibungspunkte sind besonders die Fadenknoten der Naht. Eine weitere Schwächung ergibt sich daraus, dass die Fäden der Kernfilamente beim Umspinnen aus der parallelen Anordnung verdreht werden.
Bei Bonded und Monochordfäden schützt eine Beschichtung die einzelnen Fasern vor dem Aufdrehen. Die Fäden sind reißfester, aber weniger biegsam. Im Querschnitt eines solchen Faden finden sich etwa 95 Prozent Garn und 5 Prozent Beschichtung. Bei gleicher Garnstärke ist der Faden damit geringfügig dicker.
Zwirne sind weniger reißfest als vergleichbar dicke Umspinnzwirne oder Endlosfilamentfäden.
Eine Studie des Indian Institut of Thechnology, Delhi, "Effect of Workwear Fabric Characteristics on the Changes in Tensile Properties of Sewing Threads after Sewing " verglich 75er Baumwollfäden, Polysterstapelfäden, Polyester-Baumwollumspinnzwirn (wie Amann Rasant) und Poly-Poly-Umspinnzwirn (wie Amann Saba) mit 100er Nadel und 3,2-mm-Stichen (8/inch). Spulenfadenspannung war 50 cN, Nadelfadenspannung etwa 150 cN.
Dabei erwies sich reine Baumwolle als schwächster Faden, gefolgt vom ähnlich schwachen Stapel-Polyester, dem gut ein Drittel stärkeren Poly-Cotton Umspinnzwirn und mit deutlicher Führung fast zwei Drittel stärker der Poly-Poly-Umspinnzwirn. Der Baumwollfaden verlor auch durch das bloße Vernähen ein Drittel seiner Festigkeit; die anderen Fäden bewegten sich im Bereich weniger Prozentpunkte Verlust. Ebenfalls deutlich: Baumwolle hatte unter Belastung die geringste Elastizität: Poly-Poly dehnte sich vier mal so stark, bevor der Faden riss. Eindrucksvoll die Elektronenmikroskopfotos der belasteten Fäden.
Schmetz hat einige Infos online zur Nadelhaltbarkeit: http://www.schmetzneedles.com/all-about-needles/ und empfiehlt, bei größeren Projekten den Nadelzustand stündlich zu kontrollieren. Titannitritbeschichtete Nadeln erzeugen weniger Reibung und verschleißen langsamer, Nadelgeometrien wie Serv7 oder Serv 100 erleichtern das Nähen in dickem Material und Nadeln mit kombinierter Rund-Schneidspitze (SD1) erleichtern das das Nähen von Planen oder dickem Material. Kleiner Nachteil: Die Kombination produziert Schmetz nicht in einer Nadel Für mittlere und schwere Gewebe wie Zeltplanen und für beschichtetes Material wie Lkw-Plane empfiehlt Schmetz Nadeln mit Rundspitze. http://www.schmetz.com/cache/d…126222a53c2131b33e567.pdf Diese Empfehlung fand sich auch schon vor 50 Jahren in der Bedienungsanleitung der Pfaff 145. Mitglied shoepatcher bei Leatherworker.net arbeitet für den Sportartikelhersteller Vaughn Custom Sports in Michigan. Er berichtet, dass Nadelbrüche um 50 Prozent zurückgegangen seien, seit sie titanbeschichtete Nadeln von Organ oder Groz-Beckert verwenden. Von Schmetz gäbe es keine (in ihren Größen). Einige Näherinnen würden allerdings auch ausdrücklich Schmetz-Chromnadeln bevorzugen.
Metal 2007 berichtet unter dem Titel "INFLUENCE OF SURFACE TREATMENTS MECHANICAL SEWING NEEDLES ON QUALITY OF THE STITCHES " über eine Studie von JANA ZOUHAROVÁ vom Departament of Engineering Technology, Section of Engineering Metallurgy, Technical university of Libere. Tschechien.
Getestet wurde mit einer Minerva-Nähmaschine bei 2800 spm an einer 134/90 Nadel mit 2-mm-Stichen. Gemessen wurde die Festigkeit der Nahtschlaufen nach unterschiedlichen Einsatzzeiten. Fazit: Titan-Nitrid-Beschichtungen und Chrombeschichtungen haben sich am besten bewährt. Teflonbeschichtete Nadeln litten unter großem, mit bloßem Auge sichtbaren Oberflächenabrieb schon nach kurzer Nutzungszeit von einer Arbeitsschicht.
Anmerkung: Leatherworker.net-User Gottaknow ist Chefmechaniker des US-Kleidungsherstellers CC Filson. Er berichtet, dass seine Näher die Nadeln zwei mal pro Schicht wechseln sollen.
Von Amanns Schriften kommt meiner Meinung nach diese dem Zeltnähen am nächsten: http://www.amann.com/fileadmin…hneidetechnik_boot_DE.pdf
Eine Erhöhung der Stichdichte um einen Stich pro Zentimeter erhöht die Naht-Querreißfestigkeit um etwa 25 bis 30 Prozent. Gleichzeitig steigt die Nahtelastizität durch die größere Fadenmenge im Stoff. Die Wahl einer größeren Fadendicke erhöht die Naht-Querreißfestigkeit ebenfalls spürbar, von Saba 150 bis Saba 80 verdoppelt sich die Festigkeit etwa. Bei der Scheuerfestigkeit gibt es eine kontinuierliche Steigerung von Baumwollzwirn über Polyesterschnittstapelzwirn, Baumwoll-Polyester-Umspinnzwirn zum Poly-Multifilamentzwirn, der fünf mal so scheuerfest ist wie Baumwollzwirn. Und dann kommt Polyamid-Multifilamentzwirn, der 27 mal so scheuerfest ist wie Baumwollzwirn, aber wie Amann an anderer Stelle schreibt nicht für Außeneinsätze geeignet. http://www.amann.com/en/news/p…y-press-detail/?tx_ttnews[tt_news]=427&cHash=61ca31aee6a2b13135eba45c1e364c58
Bei der Verwendung von Amann Rasant muss man offenbar aufpassen, weil der Garnkern aus verschiedenen Materialien bestehen kann. Bei der Frage nach der Reißfestigkeit hatte ich ein kabarettreifes Gespräch mit Amann und kam nicht über die Telefonistin hinaus. Wer "Höchste Belastbarkeit und edle Optik - die perfekte Verbindung für Ihre Naht. Rasant-Oxella bietet durch sein poliertes Finish einen edlen, matten Schimmer. Dadurch erfüllt Rasant-Oxella höchste optische Ansprüche und überzeugt gleichzeitig durch Funktionalität in besonders beanspruchten Anwendungsbereichen." googelt findet aber Produktdatenblätter. Die meisten Rasants bestehen demnach aus Baumwolle/Polyester und eignen sich bedingt (Farbumschläge möglich) für den Außenbereich, andere bestehen aus Baumwolle/Polyamid und werden ausdrücklich nur für den Innenbereich empfohlen, zum Beispiel Rasant 30. Für Zelte und Planen empfiehlt Amann Rasant Oxella 20.
In der Broschüre http://www.amann.com/fileadmin…_schuhe_lederwaren_DE.pdf räumt Amann mit dem Gerücht auf, durch richtige Fadenwahl könne man eine Naht wasserdicht bekommen. Wer das will muss Amann zufolge Nahtdichter verwenden. Coats ist diesbezüglich optimistischer. Die - sagen wir mal freundlich - modern gestaltete Homepage von Coats wirkt auf mich wie ein Interview mit Doro Pesch: Viel echt irgendwie total, nicht? Action und keinerlei verwertbare Informationen. Ein Ebayhändler schreibt: "Coats Dual Duty WR Nähfaden wurde mit einer speziellen wasserabstoßenden Ausrüstung versehen, die den Kapillareffekt verhindert und somit auch die Wasseraufnahme durch den Nähfaden. Wird beim Nähvorgang die vorschriftsmäßige Spannung verwendet, wird Wassertransport durch das Nadeleinstichloch ausgeschlossen." Die Reißfestigkeit von Coats Dual Duty WR 30 gibt er mit 3800 Gramm an, die Dehnfähigkeit mit etwa 20 Prozent und "die spezielle Lubrikation sorgt für ein gleichmäßiges und störungsfreies Nähen".
The Thread Exchange weist darauf hin, dass einige kapillarhemmende WR-Ausstattungen die Abriebfestigkeit der Fäden vermindern können und rät dazu, diese Fäden nur mit großer Spannung zu verarbeiten, so dass sie in die Materialoberfläche eingezogen und dadurch geschützt werden: http://www.thethreadexchange.com/miva/merchant.mvc?Screen=CTGY&Category_Code=polyester-thread-information