Das Wegsehen beim Mobbing (damals ging es NICHT um Mode) war an unserer Schule offenbar Programm. Das Kind, das alle anderen aufgewiegelt hat und sich immer an meiner Tochter ausgetobt hat, hatte wenig zu befürchten, denn die Mutter war Lehrerin an einer anderen Schule. Es war tatsächlich sehr offensichtlich das Prinzip, das eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.
So gesehen ist es gut, daß Frankreich so hierarchisch organisiert ist, ich habe schlußendlich damit gedroht bei einer Regierungsstelle gegen Mobbing Beschwerde einzureichen, wenn nicht bis ... das Thema erledigt ist. Und siehe da, auf einmal kam Bewegung in die Sache. Ich hatte aber auch bereits neun Monate gekämpft. Und Hilfe? Gab es nicht. Nirgends. Die Eltern, die es hinterher mitbekommen haben, daß es da ein Problem gegeben hat, waren schockiert. Die Meldung ist nämlich nie offen nach außen kommuniziert worden. Nicht mal die Eltern der Kinder, die sich an der Aktion beteiligt hatten, wußten von den Verfehlungen ihrer Kinder.
In den nachfolgenden Sommerferien haben wir uns mit meiner Freundin aus Kindertagen und ihrem Nachwuchs getroffen. Die Kinder haben wunderbar miteinander gespielt, es wurde nicht gehänselt, gestichelt oder doof reagiert und abends beim Gutenachtsagen sagt meine Tochter zu mir: "Mama, das liegt ja gar nicht an mir. Ich bin ja ganz normal!" - Sie war fest davon ausgegangen, daß etwas mit ihr nicht stimmt, wenn sie so eine Behandlung bekommt. Das hinterläßt Spuren, unsichtbare Narben und manchmal sehr sichtbare Folgen, die sich im Auftreten so eines Kindes zeigen. Ich bin nur froh, daß sie jetzt auf der weiterführenden Schule ist. Die hat eine "No-Bullshit-Policy" und wer mobbt, der fliegt. Keine langen Diskussionen, sondern sofortige Maßnahmen. Finde ich gut.
Was die Mode angeht: Wir konnten nicht. Meine Mutter war geschieden (in den 80ern noch ein böser Makel!), sie konnte mit vier (relativ jungen) Kindern nicht arbeiten gehen und der Unterhalt floß auch nicht eben reichlich. Wir sind nicht verhungert, waren gewaschen und hatten immer saubere und gepflegte Kleidung. Nur Modeallüren konnten wir uns eben nicht leisten. Drei Viertel haben es verstanden, einer meiner Brüder tönt, auch im Beisein unserer Mutter, lauthals, daß er aus asozialen Verhältnissen stammt. Klar, wenn ich mich an der Lokalprominenz und deren Lebensstil orientiere, dann mag es ihm so erscheinen, aber das Kind, das alles hat, weil die Eltern Tag und Nacht im eigenen Geschäft schuften, damit der Schein gewahrt bleibt, sind wohl kaum als "Otto-Normal-Bürger" und Vergleichsgegenstand zu werten. Die haben ihren monetären Reichtum hart erarbeitet und hatten keine Zeit für ihr Kind. Das hing dann bei uns rum, weil bei uns immer soviel los war. Und vor allem mittags war der Junge gerne bei uns, weil meine Mutter da war und warmes Essen für alle hatte. Aber gut, dann bin ich wohl auch asozial. (Was mein Bruder mir indirekt auch so mitgeteilt hat.)