Hallo Jörg,
Vor kurzem habe ich noch gedacht was wohl aus den Sitzkissen geworden ist. Und schwubs, hört man Neues von dir.
Mich interessiert prinzipiell Alles. Auch wenn ich jetzt sicher nicht die Zeit habe, bin ich doch der Typ "Selbermacher" und daher wäre ich echt froh über eine Anleitung.
Wenn ich dann die Zeit habe (Pensionierung :D), weiß ich wo ich schauen kann.
Mich würds echt freuen, wenn du dir die Mühe machst.
lg
Magenta
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Ok, dann versuche ich mich mal:
1. Schaumkern
Mein Ziel war es, bei einer Gesamthöhe des Sitzkissens von max. 25cm einen angenehmen Sitzkomfort zu erzielen. Möglichst weich, aber so, dass man nicht zu tief einsinkt, und vor allem muß der Sitzkomfort durch das Kissen selbst erzeugt werden, denn es gibt keine federnde Unterlage wie bei einem Sofa. Ausserdem soll das Kissen über mindestens 10 Jahre formstabil bleiben. Dieses Ziel ist nicht erreichbar mit Schaumstofflocken oder anderen losen Materialien. Zur Auswahl stehen traditionelle Federkernsysteme und Schaumstoff. Da ich keine Erfahrung mit Federkernen habe, entschied ich mich für Schaumstoff.
Ich verwende Kaltschaum, weil der offenporiger ist als normaler PU-Schaum (und deshalb Schweiss besser ablüftet) und vor allem weil er länger hält. Für Schaum, egal ob PU oder Kaltschaum, gibt es 2 Kennziffern: Materialdichte (Raumgewicht RG) und Stauchhärte (SH). Das Raumgewicht beschreibt die Menge des verwendeten Rohstoffes zur Herstellung des Schaums. Je höher das Raumgewicht, desto stabiler und langlebiger der Schaum, aber auch desto härter wird er empfunden. Die Stauchhärte beschreibt die Kraft, die erforderlich ist, um den Schaum auf 40% seines Volumens zu pressen. Für Polsterarbeiten sollte man keinesfalls Schaumstoffe mit RG <28 nehmen, denn diese Schäume halten ihre Form nicht sehr lange.
So habe ich durch Probeläufe, Tests und Prototypen den folgenden Aufbau als für mich optimal (guter bis sehr guter Sitzkomfort bei akzeptablem Preis) herausgefunden:
Vom Kern nach aussen:
- 1 Stück 93 x 93 x 5cm Kaltschaum RG40SH50 in der Mitte (ziemlich hart)
- 2 Stück 93 x 93 x 6cm Kaltschaum RG35SH30 drüber und drunter (weich)
Verklebt mit Sprühkleber (gibt es speziell für Schaumstoffe) ergibt das ein 3-lagiges Sandwich, das auch bei Schwergewichten in Form bleibt und sich trotzdem angenehm weich anfühlt.
- Dann wird dieses Sandwich mit 1 Lage Polyestervlies 400 g/qm auf den Sitzflächen und den Seiten belegt. Die Ecken des Vlies werden abgeschrägt oder man schneidet es etwas kürzer zu und lässt die Ecken frei. Ebenfalls mit Sprühkleber fixieren (muß nicht ganzflächig sein).
- Dann noch 1 Lage Polyestervlies 200 g/qm rundherum verpacken, mit dem man die Rundungen der Kanten modelliert.
Wichtig: Bei der Verarbeitung des Vlies und der dann folgenden Bezüge nicht mit Spannung arbeiten. Die Rundungen müssen mit dem Vlies geformt werden, nicht durch Stauchen des Schaumstoffs.
Dann nähe ich aus einem Baumwollnessel ein Innenfutter. Bei mir sind die Abmessungen des Innenfutters 98 x 98 x 22cm (muß jeder selber messen, da es beim Polyestervlies je nach Hersteller grössere Volumenunterschiede gibt. Damit steht das Inlay nicht unter Spannung, wirft aber auch keine Falten und zeichnet die Rundungen sauber nach. In die Seitenteile des Innenfutters arbeite ich einen mittigen Schlitz ein, der über eine Kantenlänge plus 22cm auf jeder Seite reicht, damit man es dann über den Kern ziehen kann. Ich schliesse diesen Kern mt einer Handnaht. man kann natürlich auch, wenns schnell gehen soll, einen RV einnähen.
Dann schneide ich den Bezugsstoff zu. Sitzteile und Seitenteile jeweils 1cm knapper, damit ein wenig Spannung entsteht. Aber bloss nicht zu viel, denn sonst wird der Schaum gestaucht und das Kissen zu hart. Leichte Falten kann man später mit den Knöpfen regulieren.
Die Keder stelle ich wie folgt her:
8 Stück 10cm + 3cm Nahtzugabe breite Stoffbahn 14cm länger als die Seitenlänge des Sitzkissens zuschneiden. Die Enden pfeilförmig schneiden, also so: > , wobei die Höhe des Pfeils 7cm ist. Daraus kann man die Kederecken formen.
Die Seitenteile schneide ich genauso zu wie die des Inlay, nur dass ich diesmal einen RV einnähe. Die Überlappung zur Verdeckung des RV ruhig grosszügig vorsehen. Die Seitenteile schneide ich so zu, dass in jeder Ecke eine Naht ist. Zusätzlich Nähte an den Enden des Reissverschlusses.
Nun die Kederfüllung herstellen. 8 Stück. So lang wie die Seitenlänge, plus Zugabe für die Ecke. Ich verwende 20mm PU-Schläuche aus dem Baumarkt, die ich mit 200g/qm Polyestervlies umwickle. Umwicklung mit mit Garn binden.
Schaumkern in den Überzug stecken. Einen Keder nach dem anderen in den Bzug stecken, platzieren, mit Stecknadeln sichern. Dann mit einer Handnaht die Keder ausformen.
Nun die Knöpfe, ich setze 9 Stück pro Seite.
Ganz wichtig: Die überziehbaren Knöpfe, die es im Kurzwarenhandel gibt, die man mit einem relativ primitiven Werkzeug zusammendrücken oder hämmern kann, halten den Belastungen im Bereich Sitzmöbel nicht Stand und sie sind nicht für dicke Bezugsstoffe geeignet. Ich musste sämtliche dieser bei meinen ersten Versuchen verwendeten Knöpfe zwischenzeitlich austauschen, weil sich viele davon in ihre Einzelteile zerlegt haben.
Es führt deshalb kein Weg an einer Knopfpresse vorbei. Am besten gleich mit einem Stanzwerkzeug zum Herstellen der runden Stoffstücke. Eine solche Presse bedeutet zwar erst mal eine Investition von mindestens 120 Euro, dafür sind dann aber die Knopfrohlinge um bis zu 90% günstiger. Ich zahle für 1.000 Rohlinge (Durchmesser 22mm) nur 16 Euro.
Die Position der Knöpfe auf beiden Seiten mit Stecknadeln markieren. Nun braucht Ihr eine Matratzennadel, die mindestens 25cm, besser 30cm lang ist. Ich habe in dieser Lände leider nur eine gefunden, die an beiden Seiten spitz ist. Aua. Tut höllisch weh, wenn man abrutscht. Ich sichere sie jetzt immer mit einem Korken und führe die Nadel mit einer Zange durch den Schaum. Reissfestes handnähgarn verwenden. Durch die Nadel, durch einen Knopf, als Schleife verknoten. Knoten unter dem Knopf. Durchziehen. Auf der anderen Seite Schleife durchtrennen, nadel entfernen, einen zweiten Knopf mit etwas Spannung (mit der Hand. Nicht draufknien) einknoten. Restliches Garn abschneiden. Fertig.
Noch kurz zu den Kosten pro Sitzkissen:
(alles ca.-Angaben)
55 Euro der Kaltschaum
20 Euro das Polyestervlies
6 Euro der Kleber
9 Euro der Stoff für das Inlay
3 Euro für 8m PU-Schlauch (bei Kauf einer 50m-Rolle)
10 - 1000 Euro der Bezugsstoff
Bei den Bezugsstoffen gib es natürlich eine unglaublich grosse Spanne. Bei 140cm Breite brauche ich bei einem Uni-Stoff 3,25m (bei Muster bitte mit 4m rechnen). Ich habe eines der Test-Kissen mit einem für 9 Euro ersteigerten Stück genäht, wohingegen der Stoff für das neueste Kissen mit über 100 Euro zu Buche geschlagen ist. Es kommt halt auf die Quellen an. Bei ebay gibts immer wieder was interessantes, aber wahrscheinlich hat jeder von Euch so seine eigenen Quellen. Ich für meinen Teil kaufe Möbelstoffe sehr ungern online, weil ein einziger Griff mehr sagt als seitenlange Beschreibungen. Derzeit bin ich öfters mal im Fabrikverkauf von Zimmer & Rohde in Oberursel bei Frankfurt/Main.
Aktuell versuche ich mich an den Rückenlehnen. Ich entwickle eine möglichst einfache Holzkonstruktion als Stütze für lose Polster. Die ersten beiden Polster nähe ich gerade und kombiniere weichen Kaltschaum mit Gänsefeder-Füllung.