Hallo an alle Hobbyschneiderinnen,
ich wurde gebeten, das Buch Bekleidung Schnittkonstruktion für Damenmode, von Guido Hofenbitzer, das in den Foren immer wieder erwähnt wird, zu besprechen, gerne und hier meine ganz persönliche Erfahrung:
Nachdem ich mit meiner Rubensfigur mit den Fertigschnitten unzufrieden war, weil ich immer daran rumbasteln musste, bis der Schnitt endlich stimmte und ich es leid war Probestücke zu nähen, habe ich mich entschlossen, dieses Buch zu kaufen.
Das Buch ist eine richtige Schwarte, fast 400 Seiten! Bei der ersten Durchsicht dachte ich:" mannomann, ist das kompliziert!"
Wie jeder Neuling habe ich ja gedacht: " Reingucken ins Buch und ich kann alles!". Das war natürlich ein Irrtum und so habe ich es erst einmal wieder zur Seite gelegt. Nachdem ich jedoch zum erneut an einem fertigen Schnitt verzweifelt bin, weil er einfach nicht gut passte, dachte ich mir:" Es hilft nix, Du mußt jetzt da durch."
Auf den zweiten Blick habe ich erkannt, wie gut das Buch aufgebaut ist. Erstmal gibt es eine gute Übersicht und eine Einführung in das Maßnehmen, (mein Gott, was man alles messen kann und sollte!) Das war dann auch mein erstes Werk. Mit Hilfe meines geduldigen Mannes habe ich mich rundrum vermessen und mir eine Excel-Datei (mit Datum) angelegt. Danach habe ich auch verstanden, was die einzelnen Abkürzungen bedeuten, die dem unkundigen Leser zunächst wie Hieroglyphen vorkommen. Es sind einfach verständliche Abkürzungen, z.B. BrU für Brustumfang. Wenn man das einmal verstanden hat, verlieren diese „Formeln“ ihren Schrecken.
Das Buch gliedert sich nach dieser Einführung dann in vier große Hauptteile: Röcke, Hosen, Oberteile – Grundschnitte, Oberteile – Details und Modelle.Es folgt dann noch ein Anhang mit weiteren Informationen.
Die einzelnen Hauptteile sind immer gleich aufgebaut: Ein Modell, ein Maßansatz, dann ein genaues Vorgehen, Punkt für Punkt, dazu sehr gute und leicht verständliche Illustrationen.
Weil es mir am einfachsten erschien, habe ich zunächst mit einem schlichten geraden Rock begonnen.
Jedes der vier großen Hauptteile startet mit einem Maßansatz, d.h. die einzelnen Messwerte werden für genau dieses Nähprojekt - in meinem Fall also den Rock-übertragen. Jetzt wurde es wieder schwierig, denn zu dem Masssatz gibt es immer noch so eine kleine Formeltabelle mit fiktiven Musterdaten.
Hier eine kleine Kostprobe: „Hüftabstich (SN) – ca. TaAF/2 = 6,5“. Wer meint, dass Mathematik nicht sein/ihr Ding ist, sollte nicht verzweifeln, es ist „eigentlich“ ganz einfach: Es erklärt nämlich, wo von der Seitennaht gemessen (SN) der Abnäher sein sollte, den man mit dem Lineal abmisst, d.h. absticht. Das ist hier am Beispiel der TaAF/2, also der halbe Taillenausfall . Dieser ominöse Taillenausfall wird auch beschrieben: das ist die halbe Hüftweite minus der halben Taillenweite. Bei dem Musterbeispiel sind das nun 6,5 cm. Man kann das mit seinen eigenen Daten rekonstruieren und so dann auch gut verstehen.
In der Punkt-für-Punkt-Anleitung erfährt man dann genau, was man abstechen oder abtragen muss, wo welche Linie zu ziehen oder bei Kurven welcher Winkel anzulegen ist.
Gute Lineale, auch gebogene Schneiderlineale und ein Winkelmaß sollte jede Näherin haben, das sind ja dann unsere Werkzeuge für unseren eigenen Maßschnitt!
In der Anleitung und in den Illustrationen und Skizzen wird mit farbigen Texthervorhebungen gearbeitet, die einem das Verständnis deutlich erleichtern. Rot sind die konstruierten, also „gültigen“ Linien, grün sind die Grundwerte, z.B Hüftweite minus Taillenweite. Wenn man sich auf diese ganz eigene Fachsprache – es ist ja ein Fachbuch – einlässt und versteht, dass die Schneidersprache mit Abstechen und Abtragen immer Abmessen und Anzeichnen bedeutet, verliert der Massansatz seinen Schrecken. Zu jedem Nähprojekt gibt es weitere Erklärungen, was man auf dem konstruierten Schnittmuster vermerken sollte.
Bei jedem Nähprojekt, Rock, Hose etc.,erhält man noch die sehr wichtige Antwort auf die Frage „Warum passt die Kleidung manchmal nicht, obwohl die Körpermaße richtig gemessen wurden?“. Eigentlich ganz einfach die Antwort: Weil wir nicht alle eine Normalfigur haben! Breite Hüften, flacher Po, schmale Hüften, dicker Po, etc., wir kennen das ja. Hier wird das besprochen und man kann seinen Schnitt entsprechend zur eigenen Figur modifizieren.
Es gibt natürlich das eine oder andere Maß, dass in diesem Buch nicht erfasst wird, dafür sind wir alle mit unseren Figuren wohl auch zu unterschiedlich, aber ich finde, das kann man mühelos für sich selbst ergänzen.
Bei mir z.B. müssen Hosen am vorderen Taillenbund kürzer sein als am hinteren, weil ich sonst die Hose bis zur Brust ziehen kann. So habe ich mir auf den Maßansätzen einen Vermerk gemacht und dann entsprechend zugeschnitten. Ich lasse auch an bestimmten Stellen Abnäher weg, weil ich weiß, da ist eine Speckrolle, da braucht es keinen Abnäher, oder umgekehrt, füge ich einen minimal kleinen Abnäher, z.B. an den rückwärtigen Ärmelausschnitt hinzu, weil ich keinen gerundeten, sondern einen sehr geraden Rücken habe. So löse ich das Problem besser, als wenn ich die Schulterlinie verändere. Aber das sind Details, die jede, die sich langsam von der Anfängerin zur fortgeschrittenen Näherin entwickelt, ja selbst erarbeitet.
Schließlich sind in dem Buch noch jede Menge Schnittvarianten enthalten, so dass man seine eigene Designerin werden kann!
Mein Resümee: Die Anschaffung dieses nicht ganz billigen Buches lohnt sich sehr. Die Mühe der Einarbeitung wird mit gut sitzenden Schnitten belohnt und der Zeitaufwand ist dabei geringer als beim "Rumfriemeln" an gekauften Schnitten. Für einen absoluten Nähneuling halte ich das Buch weniger geeignet, da stürmen zu viele Details auf einen ein, aber wer sich schon auf der Schwelle zur fortgeschrittenen Näherin befindet, für den/die ist das Buch Gold bzw. sein Geld wert.
Allen viel Erfolg damit!
Liebe Grüße, Edelhausfrau
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Hofenbitzer , Guido
Bekleidung Schnittkonstruktion für Damenmode
Grundlagen Band 1
1. Auflage 2009
368 Seiten, zahlr. Abb., 4-fbg., DIN A4, geb.
Europa-Nr. 62369
ISBN 978-3-8085-6236-9
49,00 €
eine Leseprobe so wie Aktualisierungen zum Buch findet ihr auf der Seite des Verlages:
http://www.europa-lehrmittel.d…ktion_fuer_damenmode-543/