Hallo, Ihr Lieben!
Vor ein paar Tagen bin ich über einen Blog gestolpert, in dem eine Quilterin, die bisher mit Maschine xy gearbeitet hat, plötzlich Maschine z anpries. Im Randstreifen ihres Blogs prangte ein neuer Button: "stolzer Markenbotschafter von z". (Diesen Button - ohne das Wort Markenbotschafter allerdings - stellt Euch die Firma übrigens aus Grossherzigkeit ganz kostenlos zur Verfügung. Ihr braucht also nicht einmal Geld dafür zu zahlen, dass ihr für sie Werbung machen dürft!)
Das war für mich der letzte Anstoß, dieses ganze Markenbotschafter Zeugs, dass besonders im US-Raum sehr häufig auf Nähseiten anzutreffen ist, genauer anzuschauen.
Ich bin dann auf einen Haufen von Wirtschaftsseiten gestoßen, die die Bedeutung von Markenbotschaftern hervorheben. Ganz besonders von Markenbotschaftern, die nicht "berühmt" sind, sondern so wie du und ich Produkte nutzen und dann ihre Gruppe von Freunden und Bekannten zugunsten eines Produkts beeinflussen. Wenn ich das richtig verstanden habe, werden Markenbotschafter für die Werbung, die sie machen, bezahlt. Der Markenbotschafter macht diese Werbung aber nicht als solche kenntlich, sondern spricht über seine "Überzeugungen". Er bzw. sie liebt halt Maschine z und was ist schon dabei, auf Instagram oder Facebook regelmäßig Fotos von Maschine z zu posten und ihre Vorzüge zu preisen.
Markenbotschafter kann es für alles geben. Auf dem Nähsektor für Maschinen, Stoffe, Garne, Zubehör. Nicht immer weiss man, dass jemand Markenbotschafter ist, der bzw. die ein Produkt ständig erwähnt und lobt. Die Grenze zwischen "Verbraucher" und "Werber" ist ziemlich schwammig.
Und Markenbotschafter sind nicht die einzige Form von versteckter Werbung um unser Hobby. Neue Stoffserien oder Quiltschnittmuster oder Lineale geistern in Wellen durch Instagram. Unter Quiltern gab es kürzlich eine Welle der Empörung, weil Instagram seinen Feed-Algorithmus geändert hat. Wem schadet diese Änderung? Denen, die Instagram als kostenlose Werbeplattform nutzen. Hektisch wurden alle gebeten, sich in Mail-Listen einzutragen, damit man den Kontakt zu seinen "Freunden" nicht verliert.
Auch auf Facebook wird natürlich Werbung gemacht. Allerdings oft direkter. Um ein neues Produkt zu verbreiten, werden Abonnenten oder "Freunde" gebeten, bestimmte Inhalte zu teilen. Als Gegenleistung winken verloste Bücher, Charmpacks ... whatever. Aber Preise sind nicht immer nötig. Auf den Wirtschaftsseiten kann man nachlesen, wie leicht der Normalmensch für Werbezwecke genutzt werden kann. Oft reicht ein warmes Dankeschön oder ein lobendes "gut gemacht" aus, wird dort erfreut festgestellt. Auf Facebook wird auch in Gruppen gemeinsam genäht oder gequiltet. Dazu muss häufig mindestens ein Buch gekauft werden. Manchmal auch diverses Zubehör. Es ist überhaupt sehr in, dass jeder, der mit seinem Hobby Geld machen möchte oder es zu seinem Beruf gemacht hat (nicht immer ist klar, was genau der Fall ist), eine Facebook Gruppe gründet. "Damit wir uns gegenseitig helfen können." Dabei geht es hauptsächlich darum die eigene Zielgruppe zu sammeln, damit neue Stofflinien, Kurse, Bücher usw. beworben werden können.
Was mich wirklich eingewickelt hat, ist das "wir sind alle Freunde", "wir sind alle eine große Gemeinschaft Gefühl", dass zumindest unter Quiltern sehr gerne erzeugt wird. Ein bisschen wie im Musikantenstadl. Alle lieben sich. Alle sind so glücklich, sich auf der Messe xy wieder zu begegnen. Alle sind mit allen befreundet. Es gibt keinen Neid und keine Zwietracht. Nur ab und an taucht auf Instagram neben lauter strahlenden Gesichtern und Umarmungen ein Post von jemandem aus dem "inneren Kreis" auf: "War auch auf der Messe. Hab mich schrecklich gefühlt. War den ganzen Tag alleine." Oder jemand fragt spitz unter einem Bild mit neuen Stoffen: "Wusste gar nicht, dass Du auch eine Stofflinie herausbringst". Und dann frage ich mich: Sitze nicht nur ich einer großen Illusion auf, sondern auch die Erzeuger dieser Illusion selber?
Irgendwie ist das so wie eine Tupper Party. Oder Avon. Freundschaft wird zu Werbezwecken gebraucht. Und Werbung wird als Freundschaft oder innere Überzeugung getarnt. Tula Pink hat auf Instagram die Leute in Australien zu einer großen Quiltmesse eingeladen und geschrieben: "Besucht meinen Stand, seid meine Freunde." Knapper kann man es nicht zusammenfassen.
Das kann man natürlich alles ignorieren. Sollt man wahrscheinlich auch. Die Idee ist auch nicht neu. Und ich weiss, wer auf Facebook unterwegs ist, ist eh blöd. Trotzdem befremdet mich dieses Verschwimmen von Werbegrenzen. Wo dient etwas wirklich meinem Hobby? Ab wann ist es nur noch Geldschneiderei?
Und andererseits: Für denjenigen, der von z.B. Quilten, Kurse geben usw. auch nur halbwegs leben möchte, ist diese Werbung vermutlich eine wichtige Einnahmequelle.
Trotzdem, wenn ich noch ein Bild von einer Bernina auf Instagram sehe, in dem sie so, so lieb gehabt wird, schmeiße ich meine womöglich aus dem Fenster...