Es gibt wieder ganz viel zu erzählen.
Nach dem etwas frustigen Termin letzte Woche hatten wir bei der Lagerleitung um einen Dolmetscher gebeten. Gestern kam also eine nette Dame mit, die Farsi spricht. Als ich in den Raum kam, dachte ich, mich trifft der Schlag, denn da saßen so ca. 20 Fauen nebst Kleinkindern und Babies. Wir kamen erst mal mit leeren Händen. Die Dame hat also sehr schön unsere Anliegen übersetzt, und uns die Antworten der Frauen gedolmetscht. Natürlich hatte keine der Frauen unsere Scheren genommen (außer den beiden , die wir verliehen hatten, die haben sie aber auch wieder mitgebracht). Sie versicherten uns, sie würden nie etwas nehmen, ohne zu fragen, das würde schon ihr Glaube verbieten. Besonders, da jetzt Ramadan sei, würde Allah das sofort bestrafen. Na ja, bei meinen Kindern wars früher ja auch immer der Herr Niemand und die Frau Keiner!
Sie schlugen vor, wir könnten ja am Ausgang ihre Taschen kontrollieren, aber das haben wir abgelehnt, erstens würden wir das gar nicht schaffen, und zweitens wollen wir ja ehrlich und vertrauensvoll miteinander umgehen.
Das sie sich immer nur einen Stoff nehmen dürfen, fanden sie nicht so prickelnd, weil man ja in der kurzen Zeit seine Sachen nicht fertig nähen kann, besonders weil wir nur zwei, gestern sogar nur eine Nähmaschine zur Verfügung haben. Wir haben aber erlaubt, dass angefangene Sachen zu Hause fertig genäht werden dürfen, sie sollen die fertigen Sachen aber beim nächsten Mal zeigen(Allein schon, damit ich Fotos machen kann, um sie hier zu zeigen).
Alle zeigten sich sehr einsichtig. Als die Dolmetscherin weg war, ging aber trotzdem der Spaß richtig los, denn "nur ein Stoff" ist anscheinend ein dehnbarer Begriff. Ich bin dann aber hart geblieben und habe ihnen die gehamsterten Stoffe wieder abgejagt. Eine junge Frau erklärte mir, sie müsse ja fünf Kissen nähen, weil sie fünf Kinder habe. Sie hat es dann aber geschafft, die fünf Kissenhüllen zu nähen, immer eine nach der anderen, und durfte sich immer wenn eins fertig war, den nächsten Stoff nehmen.
Auch mit den Kinder war es nicht so einfach. Wir hatten ausdrücklich gesagt, dass nur Babies, die noch nicht laufen können, dabei bleiben können, alle anderen sollten zu den Babas gebracht werden. Von Zeit zu Zeit musste ich mir dann so einen Dreiläsehoch schnappen, der dazugehörigen Mama in die Hand drücken und wegschicken. Eine junge Mama wollte partout ihr ca 1,5 jähriges Mädchen nicht wegschicken. Sie hatte sich einen Stoff geschnappt und wollte den mitnehmen, weil sie ja jetzt mit dem Kind gehen müsse. Ich hab ihr den Stoff weggenommen, ihr Namensschild daraufgeklebt und ihr gezeigt, dass ich den Stoff für sie in die Kiste lege, und sie ihn dann nächste Woche haben kann, wenn sie das Kind beim Vater gelassen hat. Das hat dann anscheinend gewirkt, sie ging weg, kam nach einer Weile ohne Kind wieder und begann, in aller Ruhe ihren Stoff zu säumen. Anscheinend konnte der Baba sich dann doch um sein Kind kümmern. Haltet mich nicht für herzlos, aber wir haben einen kleinen Klassenraum zur Verfügung , wo sich alles abspielt, wenn da so ein paar Hosenmätze zwischen den Beinen, bei Nadeln, Scheren und dem Nähmaschinenkabel rumkrabbeln, ist es zum einen gefährlich, zum anderne machen das unsere Nerven nicht lange mit, es ist ohnehin sehr laut.
Ein paar sind dann gegangen, weil es ihnen anscheinend nicht schnell genug ging mit Stoffnachschub und der Nähmaschine, aber die anderen haben fleissig zugeschnitten, genäht und geplaudert. Ich denke, nachdem die Fronten geklärt sind, wird sich alles einspielen, und wenn wir konsequent bleiben, wird sich die Spreu vom Weizen trennen und diejenigen, die nähen wollen, bleiben bei uns, diejenigen, die nur schnell einen Stoff ergattern wollen, um ihn vors Fenster zu nageln, müssen ja nicht kommen.
Es wurde noch sehr lebhaft und stressig. Leider ist unsere alte Nähmaschine etwas zickig, die junge Frau, die ihr Kleid fertig nähen wollte, rief mich etwa alle drei Minuten, weil sie nicht richtig eingefädelt hatte und die Maschine Schlaufen gebildet hatte. Dann hat sie irgendwie einen Faden ins Gehäuse gezogen,der hat sich um ein Gewinde gewickelt, dann ging erst mal gar nix mehr. Sheima, die Mutter der Zwillingsteenager, hat dann, bewaffnet mit Schere, Nadel und Engelsgeduld den Fadensalat abgewickelt und die Maschine lief wieder, die letzen Nähte des Tages habe ich dann aber vorsichtshalber selbst gemacht, das Mädel war wohl etwas unsanft im Umgang mit der Maschine. Bei der Gelegenheit habe ich dann Shirin, die etwas Englisch kann, erklärt, dass wir durchaus nicht reich sind und keine neuen Nähmaschinen kaufen und mitbringen können, und ihre Frage nach dem Preis einer neuen Maschine (ich hab mal ins blaue hinein gesagt, 500 €), hat sie dann doch sehr erstaunt. Ich glaube aber, dass ihr Verständnis damit geweckt war.
Übrigens hatte ich die Idee, allen mit Klebeband ein Namensschild zu verpassen, da wir uns die Namen absolut nicht merken können, bzw. nur nach mehreren Treffen und nur die einfacheren Namen, und ich habe das Gefühl, dass es besser läuft, wenn man die Menschen mit ihrem Namen anspricht. Das war schon bei der vorherigen Gruppe so, nachdem ich immer wieder gesagt habe, ich heiße nicht "Hallo" und immer wieder meinen Namen und den meiner Mitstreiterin Barbara wiederholt hatte, wurde das Verhältnis irgendwie lockerer. "Borbora" und "Korin" führt allerdings auch immer wieder zu Heiterkeitsausbrüchen.
Wir hatten am Ende den Eindruck, dass wir auf einem guten Weg sind und das schon geregelt kriegen. Allerdings waren wir beide völlig erledigt.
Leider heute nur zwei Fotos, dafür aber Samira mit ihrem neuen hübschen Sommerkleid, das ihre Mama genäht hat. Sie selbst näht am liebsten kleine rote Herzen.
Lieben Dank an alle für Unterstützung und Zuspruch und die guten Tipps. Der Erfahrungsaustausch hier hilft uns viel weiter.