Alles anzeigenMoin,
ich habe mal eine Kofferwage ins Speichenrad gehängt, die Nadel auf dreilagiges Leder geführt und dann an der Waage gezogen, bis sie das Leder durchstochen hat. Da passierte erst lange gar nichts, der angezeigte Zug wurde immer größer, und dann ging es beim Erreichen von 4 Kilogramm Anzeige ganz schnell und die Nadel war durch. Der Radius von der Wellenmitte bis zum Ansatz des Waage war 56 mm. Gezogen im rechten Winkel. Ein Kilogramm entspricht etwa 9,81 Newton. 4 * 9,81 ergibt 39 Newton Zugkraft, die ich aufbringen musste bei 56 mm Hebellänge. 56 mm sind 1/18 Meter. 39 durch 18 sind 2,18. Wenn ich keinen groben Denkfehler gemacht habe müssen also 2,2 Nm an die Hauptwelle der Nähmaschine gebracht werden, um diese vier Millimeter Leder langsam und ohne Hilfe von Schwungmassen zu durchstechen.
Ich weiß noch nicht, was Du unter langsam nähen verstehst. Gehen wir mal von zwei Stichen pro Sekunde aus, also 120 Stichen pro Minute. Riemenscheiben bekommst Du kaum kleiner als 40 mm Durchmesser, also eine Untersetzung von 1:1,85. Dann dürfte der Motor nicht schneller als 222 Umdrehungen pro Minute laufen und müsste dabei mindestens 2,2/1,85 = 1,18 Nm an der Welle leisten. Besser mehr, denn im wirklichen Leben ist auch noch Faden im Spiel, der nicht nur durch die Maschine und das Nahtgut gezogen werden muss, sondern dabei mit seiner Reibung auch das Durchstechen der Nadel bremst. Und Leder ist auch nicht immer gleich. Sagen wir also 1,5 Nm.
Das wäre die Domäne der Servomotoren. Frag mal Frank Brunnet.
Gruß
Ralf C.
Moin,
nur mal zum Vergleich gerechnet mit ein paar Anlassermotoren, die ich hier habe:
1) WEG 120 Watt / 4500 rpm = 0,25 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:2,2 => UAN 0,54 Nm
2) WEG 120 Watt / 3000 rpm = 0,38 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1: 2,2 => UAN 0,84 Nm
3) Quick 150 Watt / 3000 rpm = 0,48 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1,85 => UAN 0,89 Nm
Diese drei sind Vertreter der Generation Wirtschaftswunder.
Aktuell auf dem Markt:
Moretti 120 Watt / 3000 rpm = 0,38 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1,85 => UAN 0,70 Nm
Moretti 150 Watt / 4000 rpm = 0,36 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1,85 => UAN 0,66 Nm
Moretti 250 Watt / 6000 rpm = 0,40 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1.85 => UAN 0,74 Nm
Moretti 300 Watt / 6500 rpm = 0,44 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1,85 => UAN 0,81 Nm
Auf dem Gebrauchtmarkt gelegentlich zu finden
Gutris Tipo 7011 250 Watt / 5000 rpm = 0,48 Nm an der Motorwelle. Untersetzung 1:1,64 => UAN 0,78 Nm
Da die Riemenscheiben bei den Motoren zwar wechselbar sind, aber wegen der nicht genormten Wellendruchmesser - und auch nur bei aktuellen Modellen - gleich große Ersatzscheiben erhältlich sind, kann man die Übersetzung nur durch Bastelei nachträglich beeinflussen.
Die gebrauchten Anlassermotoren kosten etwa 50 Euro, neue Morettis etwa 130 Euro.
Für 140 USD bekommt man mit Versand aus Großbritannien einen Servomotor
550 Watt / 4500 rpm = 1,17 Nm an der Motorwelle. Übersetzung 1:1,64 => UAN 1,92 Nm
Für 170 USD bekommt man mit Versand aus Großbritannien einen Servomotor
750 Watt / 4000 rpm = 1,8 Nm an der Motorwelle. Übersetzung 1:1,64 = UAN 2,95 Nm
Mit meiner Doppelschicht aus 2x4 mm Leder brauche ich 3 Nm UAN um langsam durchzukommen. Das könnte mit dem größeren der beiden Servos gerade so hinkommen. Die Pfaff 130 macht das locker mit. Wie langsam die Servos aber laufen können weiß ich nicht. Über die Morettis lese ich bei Nähmaschinen technik Michel aus Hamburg, dass sie nur ungenau stoppen und bei Schwaak und Bangert, dass sie nicht langsamer als 300 Stiche/Minute nähen können.
Wesentlich steigern ließe sich die Leistung der Anlassermotoren wohl nur durch - größere Motoren und nicht durch die kostenlos machbare höhere Drehzahl. Korrigieren muss ich meine Aussage, dass die Morettis eine zweite Widerstandsreihe hätten, um die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen. Sie verschieben statt dessen die Motorkohlen, was den Wirkungsgrad veschlechtert. Immerhin bleiben weiterhin alle Regelstufen des Anlassers enthalten. Erst die neueren elektronisch geregelten MP55 und MP66 haben ein Potentionemeter zur Höchstgeschwindigkeitsvorwahl. Die alten WEG und Quick begrenzen die Höchstgeschwindigkeit mechanisch, indem sie die höheren Anlasserstufen blockieren. Es stehen dann einfach nicht mehr so viele Geschwindigkeiten zur Verfügung. Missverständlich scheint mir die morettische Werbeaussage, dass auch bei niedrigen Geschwindigkeiten durch die elektronische Regelung ein konstantes Drehmoment zur Verfügung steht. Wenn man dem Motor Volts wegnimmt und die Amperes gleich bleiben sinken die Watts. Das bedeutet bei ebenfalls sinkender Drehzahl unvermeidbar ein gleich bleibendes Drehmoment. Ob die Spannung elektronisch oder elektrisch reduziert wird ist dafür egal. Was allerdings nicht gleich bleibt ist die Durchstichkraft, weil den Motoren der Schwung fehlt. Um gleiche Durchstichkraft zu ermöglichen müsste das Drehmoment mit sinkenden Drehzahlen kontinuierlich steigen.
Der Ingenieur Peter Niehaus ist anders rum an die Sache rangegangen. Als er mit seiner getretenen Pfaff 260 Schwierigkeiten bei vier bis sechs Lagen dicken Corduras bekam, hat er einen Waschmaschinenmotor in die Nähmaschine eingebaut. Der Motor wird aus einem umgebauten Hifi-Netzteil gespeist und mit einem eigens gekauften ebenfalls umgebauten Anlasserpedal gesteuert. Angegeben ist der Motor mit 650 Watt Leistungsaufnahme. Bei einem in dieser Größenordnung (Kleinmotoren) üblichen Wirkungsgrad von 60 Prozent wäre da eine Leistungsabgabe von bis zu 390 Watt zu erwarten. Um die Nähmaschine nicht zu überlasten speist Niehaus den Motor mit maximal 50 Volt. 230/50 = 4,6. 390/4,6 = 85. 85 Watt Ausgangsleistung hätte er mit jedem Anlassermotor einfacher haben können, aber wo wäre da der Spaß geblieben.
Einige Hersteller erreichen werbewirksam hohe Werte, indem sie Maximaldrehmomente angeben. Bühler Motoren gibt an, dass Motoren diese Überlastung nur wenige Sekunden bis maximal eine Minute mitmachen. Das Neuroscience and Robotics Lab der Northwestern University erklärt die Nenndrehzahl mit Drehzahl, bei der der Motor das höchste konstante Drehmoment erreicht. Leerlaufdrehzahlen können mehr als das Doppelte betragen. Die schlechte Nachricht: Wenn die Nähgeschwindigkeit unter der aus Nominaldrehzahl und Untersetzung errechneten Geschwindigkeit bleibt steht das maximale Drehmoment gar nicht zur Verfügung. Drehmomentkurven bleiben meistens das Geheimnis der Hersteller.
YDK immerhin gibt auf der taiwanesischen Seite ein paar weiter gehende Daten an. Demzufolge gibt es von den Typenschildangaben (nameplace values) zu den tatsächlichen Daten noch einige Abweichungen. Und auch diese Daten sind dann eher eine grobe Orientierung. YDK erlaubt sich Abweichungen von plusminus 10 Prozent. Plus 10 bei den Drehzahlen und minus 10 beim Drehmoment gegen den umgekehrten Fall sind dann Abweichungen von etwa 50 Prozent. Der YDK-YM261A9, den ich am Anfang empfohlen habe, macht leider aus den aufgenommenen 90 Watt nur unterdurchschnittliche 38 Watt. Ohne dass Toleranzen ins Spiel kommen. Offiziell bessere YDK-Motoren werden in D kaum einzeln angeboten.
Bei einem polnischen Versender bekommt man den Tur 2 mit Pedal für 60 Euro inklusive Versand in schwarz. Dann stimmt immerhin die Farbe. Die Chinesen haben Rucksackmotoren inzwischen bis mindestens 280 Watt / 14000 Umdrehungen gebracht. Mein oller EKF mit 95 Watt / 4500 rpm bringt eine Pfaff 30 auf etwa 1300 spm. Das entspricht gut den rechnerischen Werten; die Maschine kann das Drehmoment des Motors auch nutzen. Bei gleichen Übersetzungen würde der Chinesen-Sprinter 4000 Stiche/Minute erreichen. Oder, falls es dafür am nötigen Umpf fehlen sollte, weit unter dem theoretischen Drehzahloptimum bleiben.
Rucksackmotoren gibt's in China ab etwa 3 USD/Stück, Servomotoren ab 40 USD.
Welche Nettigkeiten ein Kauf bei (von uns aus gesehen) ausländischen Anbietern bereithalten kann zeigt ein sicher ungenannt bleiben wollender Ebay.de-Händler: "Transport von Futtermitteln
max. 5000 Stiche / Min", "bürstenlose Automobilindustrie YGF", "Und am wichtigsten, speichert es etwa 70% der Energie im Vergleich zu Kupplungsmotoren".
Und wenn man plötzlich im Dunkeln sitzt und später tausende Firefox-Fenster wiederherstellen muss hat ist wohl wieder ein Entstörkondensator in einem Wirtschaftswundermotor geplatzt.
Viele Späße
Gruß
Ralf C.