Bei der Kombination von Preislimit, Nähgut, Stromanschluss denke ich an die Pfaff 130 und 138, falls Kappnähte bei Zeltbahnen eine große Rolle spielen auch an die 142.
Moin,
Pfaff hat die gewerblichen Nähmaschinen in vier Leistungsklassen unterteilt: A, B, C und D. Die Ausführung A ist laut online auffindbarer Bedienungsanleitung der Pfaff 138 für feines Material, die Ausführung B für mittleres Material. Für Ausführung A sieht Pfaff die Nadelgrößen 60 und 70 vor, für Ausführung B die Nadelgrößen 80, 90 und 100. Nicht so eindrucksvoll, und eher nicht so richtig für große Zelte geeignet, stimmt's? Was also tun? Andere Nähmaschine nehmen? Andere Bedienungsanleitung reicht.
In der ebenfalls online auffindbaren älteren Bedienungsanleitung (im Drachenwiki verlinkt) der Pfaff 138 heißt es noch: Nadelgröße 70 für Baumwollgarn 120 bis 80 ..... Nadelgröße 160/170 für Leinengarn 25. Reicht immer noch nicht? Dann nehmen wir eben eine noch ältere Bedienungsanleitung, liegt mir als originale Papierausgabe vor: 70er Nadeln und so weiter wie gehabt, und nach hinten raus steht da die 220er Nadel (zweihundertzwanzig, 2,2 Millimeter Durchmesser) für 20er Leinenzwirn. Dazumalen traute Pfaff auch der 130 mit 120er Nadeln mehr zu als später der 138 mit den 100er Nadeln. Die kleingedruckten Zahlen auf der Rückseite der Bedienungsanleitungen deuten darauf hin, dass die mutigen Angaben etwa 1951 gemacht wurden, das Dekor der zurückhaltenden Anleitung deutet auf die 60er Jahre. Wahrscheinlich sind diese Änderungen im Sinne des technischen Fortschritts nötig geworden und haben nichts damit zu tun, welche anderen Maschinen Pfaff jeweils im Sortiment hatte und wie Pfaff die marketingmäßig abgrenzen wollte. Für das Vorgängermodell Pfaff 38 hat Pfaff ebenfalls die Nadelstärken 70 bis 220 in der Bedienungsanleitung angegeben.
Pfaff muss recht feste Vorstellungen davon gehabt haben, wie die Maschinen einzustufen sind: Während es die 138 nur als A (feine Materialien) und B (mittlere Materialien) gab, gab es die auf den größeren Gehäuse beruhende 142 (Doppelnadel) zusätzlich auch als B/C (wie B, jedoch mit größerem Stichloch 2,2 mm) und C (für mittelschwere Materialien). Als Einnadelmaschine 141 ist die Materialauswahl größer: A, B, B/C, C, und dann weiter C/D (wie C, jedoch mit größerem Stichloch 2,6 mm). Und schließlich D - für schwere Materialien.
Die im gleichen Gehäuse wie die 142 gebaute 145 (mit Dreifachtransport) wurde meiner deutschen Bedienungsanleitung zufolge in die Gruppen A, B, C und D eingeteilt, wobei Pfaff hier nicht mit dem Material, sondern mit den Nadeln argumentierte: Gruppe A für Nadeln 70 bis 100, Gruppe B für Nadeln 100 bis 130, Gruppe C für Nadeln 130 bis 160 und Gruppe D für Nadeln 160 bis 200. Eine online auffindbare (libble) englische Anleitung unterteilt dagegen so: A (H1 und H2) für 60, 70, 80 Nadeln. B (H1, H2, H3) für 90, 100, 110 Nadeln. C (H2, H3, H4) für 120-160 Nadeln. D (H3, H4) für 170 bis 200 Nadeln. Hier werden für die Unterschiedlichen Klassen und die Unterscheidung Stoff und Leder auch unterschiedliche Greifer genannt, wobei die Stoffgreifer der stärkeren Maschinen den leichteren Ausführungen als Ledergreifer dienen.
Meine 145er Anleitung und die 138er Anleitung aus dem Drachenwiki gehören zur gleichen Generation. Ausnahmsweise habe ich Maschine und Anleitung zusammen erwerben können, was nach Seriennummer und Anleitungskennzeichnung P1256 eine Datierung auf die Mitte der 50er Jahre ermöglicht. Für "kräftige Lederarbeiten" empfiehlt Pfaff in meiner 145er Anleitung die 100er Nadeln, für "schwere Konfektion und Lederkleidung" die 110er, für "schwere Tuche, Winterkleidung" (damals Wollmäntel) und "schwere Lederkleidung" die 120er, für "starke und harte Stoffe und Lederarten" Nadeln von 130 bis 150 und schließlich für "besonders dickes und hartes Material" 160er und 180er Nadeln. Beispiele nennt die Bedienungsanleitung nicht.
Außerdem verrät Pfaff in dieser Anleitung zwei Branchengeheimnisse: Bei Unterklassen mit größerem Hub wird einfach für die längeren Nadeln die Nadelstange hochgesetzt und für Arbeiten mit ganz feiner Nadel ist eine Stichplatte mit kleinem Loch vorteilhaft, für Arbeiten mit ganz starken Nadeln eine solche mit großem Nadelloch empfehlenswert.
Nadellöcher zum Auswechseln gab es besonders für die Haushaltsbaureihe 130 und die Gewerbereihe 38/138/238 reichlich, die auch über die Klassen hinweg zwischen Haushalt und Gewerbe getauscht werden konnten. Die 260 passt nicht ins Schema, für die 230 weiß ich's nicht. Stichplatten gab es unter anderem in den Oberflächen brüniert, verchromt und gebürstet aus Stahl (bläulich schimmernd) und ChromVanadium sowie geblich schimmernde möglicherweise aus Messing in den Dicken 2,6 mm, 2,7 mm und 3 mm mit Stichlöchern in der Tiefe 1,2 mm, 1,4 mm, 1,6 mm und 1,8 mm und für die Überstichbreiten von 4,5 mm, 6 mm, 8 mm, 10 mm. Außerdem mit runden Stichlöchern für Geradstich von 1,2 und 1,4 mm Durchmesser. Dann dazu angepasst die Ausschnitte für die Transporteure in einer, drei oder vier Reihen mit 1 bis 6 Zahnreihen. Die Zähne als feines Waffelmuster oder als starker Sägezahn; auch als doppelte gegeneinander versetzte Sägezahnreihen. Zum Einstecken und Einschrauben. Mit zusätzlichen Löchern für das Einklinken von Apparaten und mit Zapfen (die ich noch nicht verstanden habe). Außerdem mit und ohne Nadelabweiser an der dem Näher zugewandten Seite des Einstichlochs.
Abgesehen von den bekannteren Unterklassen gab es auch Pfaff 138 mit Zierstichautomatik, mit stillgelegtem Zickzack als Geradenäher, mit Doppelnadelstange und mit doppeltem Räderfuß. Die Kombination stillgelegter Zickzack, doppelte Nadelstange und doppelter Räderfuß diente vor allem in der Schuhindustrie zum Absteppen von Schuhoberteilen.
Weitere - nicht immer von außen erkennbare - Unterschiede gibt es bei den Nähfußfedern: Die großen 14x und 54x Baureihen wurden mit 1-2 konzentrisch angeordneten Spiral- oder parallel angeordneten Blattfedern geliefert; wobei ich auch schon B-Maschinen mit Blattfedern und C- und D-Maschinen mit Spiralfedern gesehen habe. Die 138 hat zwei Spiralfedern. Ob in den Spiralfederausführungen wirklich beide drin sind sieht man von außen nicht.
Bei den Haushaltsmaschinen ist ab Werk nur eine Feder vorhanden: Die Spiralfeder meiner Pfaff 130-115 sorgt für bis zu 4 kg Füßchendruck, die Feder meiner Pfaff 30 nur für 1 Kg Füßchendruck. Die anderen Maschinen habe ich nicht gemessen. Zum Vergleich: Meine Singer 29 Schuhmachermaschine bringt es auf 13 Kilogramm Füßchendruck mit einer Blattfeder.
Und schließlich gab es noch einen breiten Spielraum bei der Ausstattung mit Handrädern um unterschiedliche Übersetzungen und Schwungmassen zu realisieren.
Bei der Pfaff 130 habe ich bei Maschinen der Unterklasse -6 (mit Flachkolbennadel) Stichplatten mit 1,2 mm Schlitzdicke ohne Nadelabweiser gehabt; bei der Unterklasse -115 (Biese mit Rundkolbennadeln) Stichplatten mit 1,4 mm Schlitzdicke mit und ohne Nadelabweiser. So kann die Situation entstehen, dass eine "Haushaltsmaschine" Pfaff 130-115 mit 1,4 mm Stichplatte tatsächlich dickeres Material verarbeiten kann als eine "Industriemaschine" Pfaff 138 mit Stichplatte 1,2 mm - einfach weil die große Maschine die dicke Nadel nicht durchs Loch bekommt. Auch bei den Pfaff 130ern gibt es entsprechnd unterschiedliche Bedienungsanleitungen, die 110er oder 120er Nadeln als größtes nennen.
Ich habe mit 1,4 mm Stichplatte problemlos sowohl 1000-Gramm/m2 Lkw-Plane mit 20er Polyester Multifilamentgarn und 140er Nadel vernäht als auch mit 120er Overlockgarn und 70er Nadel Gardinenstoff mit nur 80 Gramm/m2.
Übersetzung, Stichplatte und Fußdruck lassen sich auch heute noch nachträglich den eigenen Bedürfnissen anpassen. Die Teile gibt es neu als Nachfertigung und gebraucht regelmäßig bei Ebay.
Gruß
Ralf C.