Gesucht: Schnittmuster erklärt

  • Liebe Community,


    ich bin auf der Suche nach einem deutsch- oder englischsprachigen Buch, das Schnittaufbau (HAKA) erklärt. Ich hab mit Aldrich und Roberts/Onishenko zwei Bücher der Art: Zuerst machst Du hier einen Strich, dann hier abhängig von Brustumfang und dann hier... Der Anleitung kann ich natürlich folgen, es kommen auch passable Schnitte für meine größe heraus, es bleibt aber die Wolke des "Warum"? Ich habe nun z.B. ein Sakko nach Aldrich konstruiert, bin aber stutzig ob der vielen Konstanten in der Anleitung, z.B. Punkt 26 ist 2cm links von Punkt 25, unabhängig von allen anderen Parametern, z.B. Brustumfang. Mein Schnitt hat dann z.B. anders als das Sakko in Burda 4/2014 den Frontabnäher nicht unter dem höchsten Punkt der Schulternaht, sondern deutlich weiter Richtung Rückenteil, was jetzt a) meine Fehlkonstruktion, b) ein Fehler ob der Konstanten oder c) auch vollkommen richtig sein kann.


    Nochmal die Frage: Kennt Ihr ein Buch, das auf derartige Fragen eingeht, also Schnitte detailliert erklärt und diskutiert, warum was wie sein sollte oder eben nicht?


    Beste Grüße aus Wien,


    Hobbyschneiderin Daniel

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  • Schnitte machen hat viel mit Erfahrung und Ausprobieren zu tun. Am Anfang meiner Ausbildung zur Schnittdirektrice hab ich auch immer gedacht: Der Abnäher mus da und da sitzen, weil wir das so gelernt haben. Tatsächlich zählt aber: Haupsache der Schnitt funktioniert! Die Maße müssen passen, was man an Zugaben gibt ist Erfahrung, wie man wo welche Abnäher hinlegt auch. Das kann man auch schlecht erklären. Wir haben z.B. in der Ausbildung die Schnitte in groß auf Seidenpapier gezeichnet und dann mit Tesa zusammengeklebt. Auf die Puppe drauf und verglichen. Bei einer Modellvorlage, kamen 20 verschiedene Teile raus. Jeder Schnittmacher enwickelt seine eigenen Handschrift. Letztendlich muss man lernen einen Körper gnau anzuschauen und das Teil, was man dafür machen möchte im Kopf von der 3D Form in einen flachen Schnitt umdenken. Da kann ich Dir leider nur raten: üben, üben, üben. Die meisten Werte in so Schnittbücher, wo man z.B. welchen Abnäher hinlegt oder um wieviel cm man ihn verkürzt, sind Richtwerte. mach es erst mal so, näh aus einem billigen Probestoff und markiere Dir bei der Anpobe, wo welche Linien liegen sollen. Das wiederum kann man dann auf den Schnitt übertragen.
    Ich glaube die Bücher, die Du da hast sind schon ganz gut. Ich selbst habe die von Müller & Sohn, aber die HAKA-Bücher sind nicht so toll wie die für DOB. So spezielle Erklärungen, wie Du sie möchtest gibt es meines Wissens nicht in einem Buch. Ansonsten mach doch mal Fotos, damit man sich anschauen kann, was Du genau wissen möchtest. Es gibt sicher Einige hier, die Dir was erklären können.

    Besucht auch meinen Blog www.aislingbreith.de , dem ich meinem Hobby, dem lesen und schreiben gewidmet habe.

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  • Haha... Da bin ich sehr gespannt.


    Oje. Entschuldige mein irres Lachen. Ich versuche mal meine Erklärung zu den Schnittunterschieden. Und danach, warum ich glaube, dass es dieses Buch nicht gibt.


    Sowohl die gute Aldrich, als auch Burda haben erstmal recht!
    Die Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungen in den Schnitten:


    - regionale Herkunft. Italienische Anzüge sind anders geschnitten als englische. Zum Teil aus Tradition, zum Teil, weil Größe, Gewicht, Körperbau unterschiedlich sind. Schön deutliche wird das wenn man Konfektionsgrößen aus Amerika, Europa und Asien vergleicht.


    - Aldrich steht in einer gewissen Tradition, ich behaupte mal, dass ihre Schnitte allesamt auch einen gewissen (Aldrich-)Stil haben. Bei Burda haben die Schnitte Otto Normalverbraucher im Kopf, oder bieten Schnitte zu bestimmten Kleidungsstücken zu bestimmten Anlässen. Aber ohne auf die anderen Schnitte Rücksicht zu nehmen. Ein buntes Durcheinander.


    - es gibt bei Schnitten Moden und Vorlieben. Bei H&M könnte ich nix kaufen, weil mein Körper nicht zu dem Laden passt und mir die Schnitte nicht stehen würden.


    - Schnittkonstruktion ist nur der ERSTE Teil. Nach der Schnittkonstruktion kommt die Schnittanpassung. Das kann man in den verschieden Threads zu Konstruktionen nach Hoffenbitzer und Aldrich hier im Forum gut nachempfinden.


    - Und das kann FÜR DICH dann auch bedeuten, dass du Abnäher verschieben musst, möchtest oder kannst.


    - Ob dir das dann jeweils steht und ob du dich damit "auf die Straße" traust hängt dann an dir.


    Ich glaube, dass hier Erfahrung von Schneidern ein "einfaches" Schema ersetzt. Und die Summe einzelner Faktoren ganz andere Ergebnisse bringt, als einzelne Regeln.


    Es gibt in den Schnittanleitungsbüchern - bspw. in der Kunder - ganz wenig Beispiel mit Bildern, anhand derer man erkennen und lernen kann, ob ein Abnäher jetzt zu breit, zu schmal, zu lang oder zu kurz ist. Aber eine richtige Antwort auf deine Frage ist das nicht. Außerdem kommen da (natürlich wieder) nur Frauen vor.


    Bei irgendwem... Anouk? hab ich unlängst mal ein Schnittanpassungsbuch / Schnittänderungsbuch für ca. 30 Euro gesehen. Viell gäbe das weitere Hilfe. Ich meditiere noch mal über den Titel, evtl. fällt mir der noch ein.

    Dirk - des Teufels nackter KofferNÄHER 2.0 ...

    (Alt und müffelig.)

  • Lieber Hobbyschneiderin Daniel,


    erstmal Willkommen hier im Forum!


    Aber zum Wunschbuch: Ich denke, dieses Buch wird es nicht geben. Die einzelnen Konstruktionsmethoden basieren alle auf Erfahrungswerten und einer Vereinheitlichung des Körperbaus. Ziel dabei ist ja immer, einen indivuellen Grundschnitt zu erstellen. In den Konstruktionsbüchern, etwa bei Müller & Sohn, gibt es dazu noch Hinweise, wie der Grundschnitt an die eigenen Körpereigenschaften (z.B. Hohlkreuz) angepasst werden kann. Auch das sind wiederum verallgemeinerte Hilfen.


    Dein Wunschbuch wäre ja dann eine Grundlage, wie man selbst ein Schnittkonstruktionssystem entwickeln könnte. Und dafür ist wohl die Nachfrage zu gering, dass eine Buchveröffentlichung lohnenswert wäre, vorausgesetzt, es würde sich eine mitteilungsfreudiger Autorin finden ;)

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  • Wenn Du mehr über Schnittkonstruktion lesen willst, mußt Du am Anfang des 20. Jahrhunderts rum Literatur suchen. Damals wurde versucht, das Schnittmachen wissenschaftlich zu erklären. Dort wirst Du fündig.


    Man kann grob unterscheiden: die Systeme, die mit direkten Maßen arbeiten und die Proportionalen.
    Im großen und ganzen hat in Europa das Proportionalsystem gewonnen - so 1930 rum. Es ist aber von Land zu Land verschieden -z.B. in Deutschland wurde in Frankfurt anders geschnitten als in Stuttgart.


    Der Grund für den Sieg des Proportionalsystem: Maßnehmen ist äußerst schwierig.


    Bei HAKA ist Müller sehr gut, versuche Bücher vor 1970 zu finden.
    Dann gibt es im Internet irgendwo das Unicut-system von Rähle (Schweiz). Man kann der Entwicklung sehr gut folgen, da Rähle sagt: Ob Frau oder Mann, beiden haben im Prinzip den gleichen Schnitt. Natürlich mit einigen Abweichungen, die er genau beschreibt. Dadurch wächst das Verständnis n.m.Meinung.


    Sind beide proportional.


    Dann gab es Lenassi in Deutschland, der (fast) nur nach Maßen arbeitete (orthopädische Schneiderei - wurde das abfällig genannt). So bis in die 60er Jahre (Herren und Damen). Hatte auch Kurse in Österreich.


    Für Damen gibt es European cut von Elisabeth Allemonde, die nach Maßen arbeitet und verständlich erklärt.


    Mit dem Niedergang der Maßschneiderei erfolgte auch eine Umkehr in der Schnittentwicklung. Heute wird Wert auf Schnitte gelegt, die allen möglichen Figurtypen mit den gleichen Maßen paßen.
    lg
    posaune

  • Liebe Community!


    Vielen Dank für die tollen Antworten! Probieren ist natürlich ein guter Tipp, da bin ich auch brav dabei! Den Tipp mit "historischen" Büchern nehme ich mir gerne zu Herzen, auch in meinem Brotberuf komme ich mit denen oft weiter...


    Der Versuch von Fertigschnittmustern wegzukommen geht weiter!


    Besten Dank und schönen Abend,


    Eure Hobbyschneiderin Daniel

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