Hosenkonstruktion nach Hofenbitzer - Standardhose

Grüß Gott, Guten Morgen, Moin, moin...

in die Runde.

Ich habe mir vor Längerem auf Empfehlung einen Hofenbitzer schenken lassen. Ich habe inzwischen viel drin geblättert, gelesen, angeschmachtet... aber nichts konstruiert. Dabei habe ich meine Selbstnähkarriere genau mit Eigenkonstruktionen begonnen und später (weils nicht klappen wollte - dass es da Literatur und Systeme für gibt, auf die Idee bin ich nicht gekommen) dann Schnittmuster verwendet. Nur um irgendwann einzusehen: die muss man auch anpassen... Es ist immer Fummelei.

Lange Rede kurzer Sinn: mein größter Bauchwehpunkt sind Hosen. Die passen mir nie. Passen sie in der Taille, kommt die Hüfte oft nicht mal ansatzweise rein, passen sie in der Hüfte, kann in der Taille noch jemand mit reinsteigen.

Deswegen ist mein heutiger Lösungsversuch dieses alten Dramas: EIGENKONSTRUKTION.

Ich bin zum heutigen Stand mit der Schnittkonstruktion fertig (noch nicht alle Fotos aufbereitet), habe aber noch keinen Schritt in Richtung Probehose unternommen. Schließlich wird es da erst richtig spannend

Ihr dürft Euch also gerne zahlreich dazusetzen, mit Tee, Kaffee, Kuchen, Keksen, Sandwhiches. Einen Kessel mit heissen Weißwürsteln und frischen Brezen findet Ihr links vom Buffet, versch. bayer. Biersorten stehen unterm Tisch - allerdings nur alkoholfrei

Ich poste pro Tag 10 Bilder, das entspricht etwa 8-10 Konstruktionsschritten. Dann habe ich keinen Stress mit dem hiesigen Bilderlimit, Ihr habt Zeit, Euch die ganze Geschichte anzusehen und drüber nachzudenken und in 3 Tagen oder so mit einzusteigen. (Und ich kann derweil für den Rest vielleicht ein wenig vorbereiten.)

Mit- und Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht!

Überblick: die Vorderhose hat knapp 30 Fotos. Die Hinterhose etwas weniger. Die Probehose ist noch unbekannt.

Nächstes Posting: Vorbereitungen.

LG
neko

Vorbereitungen:

Ihr braucht erst einmal ein paar Körpermaße (einige Maße läßt man besser einen Helfer nehmen):

TaU - Taillenumfang
HÜu - Hüftumfang
sTaH - seitliche Taillenhöhe, wenn ihr die Schritthöhe berechnet und nicht messt. (Länge Taille->Boden)
SiH - Sitzhöhe
SrH - Schritthöhe = sTaH - SiH
KnH - Kniehöhe = SrH:2 - SrH:10
vHoB - vordere Hosenbreite = HüU:4 - 1cm
hHoB - hintere Hosenbreite = HüU:4 + 1cm

SaW - Saumweite (Standardhose: 40-48cm)
Sucht euch was Nettes aus, ich habe 44 genommen, das kommt in der Konstruktion so schön praktisch auf 10 raus...

'alpha' - Gesäßwinkel - Auch so ein Wert, der wohl etwas Erfahrung benötigt. Ich habe den Mittelwert 82° verwendet (Hofenbitzer auch):
große Sitzlänge: 80° - 77° - 75° (Gesäßform: flach - normal - stark)
mittlere Sitzlänge: 85° - 82° - 80° (Gesäßform: flach - normal - stark)
kurze Sitzlänge: 88° - 85° - 83° (Gesäßform: flach - normal - stark)

Das Ganze erst mal für nicht-elastische Stoffe.

Und jetzt noch ein wenig 'Hardware':
P1162409_bearbeitet_x600.jpg

- stabiles Papier, ich habe 80gr/qm Standard-Kopierpaier dafür verwendet. Rollenware (kann man gerade bei Kindern nie genug haben zum malen, basteln, als Tischdecke...oder eben Konstruktionspapier).
- diverse lange Lineale (mein Stahllineal ist nur 50cm lang, deswegen muß der Zollstock hier und da mal helfen)
- Geodreieck für (rechte) Winkel. Je größer, desto genauer. Ich werde später auch noch ein größeres Dreieck finden.
- Maßband
- Stifte in versch. Farben. Ich werde mir später noch Buntstifte in rot und blau dazuholen.
- ein Hofenbitzer ist gerade für die hier nicht erwähnten Randnotizen/Ergänzungen/Tipps (z.B. bei elastischem Material oder besonderen Körperformen) hilfreich, es sollte aber grundlegend auch ohne gehen.
- Im Buch der Zettel sind meine Maße

Später werde ich mir noch ein Rudel Kurvenlinieale für die geschwungenen Formen an Hüfte und Taille und Beinen zu Hilfe holen.

Meinen Fotoapparat braucht Ihr nicht, auch wenn er auf dem ein oder anderen Bild sein sollte

Nächstes Posting (und letztes für heute): die ersten Hilfs-Linien.

LG
neko

Und los gehts! Erst einmal lauter Hilfslinien. Fleißarbeit sozusagen. (Hofenbitzer Seite 88)

1. erhöhte Taillenlinie von oben links nach rechts eine gerade Linie ziehen und Punkt 1 markieren. Lasst links mehr Platz als ich, 10 cm mehr sind angenehmer. Bei mir wirds am Ende zu eng.
P1162410_bearbeitet_x600.jpg

2. seitliche Taillenhöhe von Punkt 1. aus senkrecht nach unten abtragen. Ganz unten ist Punkt 2. Mein Papier war zu kurz, macht das nicht nach!!! Ich meinte erst: machst eine Knickerbocker... aber dann geht da unten die Konstruktion kaputt. Erst komplette Länge konstruieren, dann kürzen. Ich werde das ganz am Ende feststellen und nachziehen.
P1162411_bearbeitet_y600.jpg

3. Taillenlinie. Die echte, dieses Mal. Diese wird 1-1.5cm parallel, unterhalb der erhöhten Taillenlinie angezeichnet. Hofenbitzer sagt: bei starker Hüftrundung die 1.5 nehmen. (Also der erste Wert, an den man sich rantasten kann/muß). Ich habe 1.5 verwendet, klang mir bei meiner Ungleichverteilung sinnvoll.
P1162412_bearbeitet_x600.jpg

4. Schrittlinie. Von Punkt 1(!) aus gemessen eine Parallele zur Taillenlinie ziehen. (oder anders ausgedrückt: von Punkt 1 aus auf der Linie nach unten abtragen und im rechten Winkel eine Linie quer rüber ziehen)
P1162413_bearbeitet_y600.jpg

5. Knielinie. Von der Schrittlinie aus (Punkt4) nach unten die Knielinie parallel anzeichnen.
P1162414_bearbeitet_y600.jpg

6. Saumlinie. Von Punkt 2 aus 0-4 cm nach oben. Ich habe 4cm gewählt. Wäre nicht nötig gewesen.
P1162421_bearbeitet_Punkt6_Saumlinie.jpg

7. Hüftlinie. Von der Schrittlinie aus nach oben die Hüftlinie einzeichnen (HüU:20 +3cm).
P1162416_bearbeitet_x600.jpg

8. Von Punkt 7 ausgehend nach rechts den vHoB abzeichnen, mit 8. beschriften und eine senkrechte Linie nach ganz oben zur Taillenlinie und unten zur Schrittlinie zeichnen.
P1162417_bearbeitet_x600.jpg

8a, 9. Schritt- und Taillenlinien ggf. verlängern, damit sie die neue Linie trifft. Die dabei entstehenden Kreuzungspunkte sind (unten) 8a und oben 9.
P1162419_bearbeitet_x900.jpg

10. Vorderer Hosenausschnitt. Von Punkt 8 aus eine weitere Hilfslinie abtragen (Hüftlinie verlängern): vHoB:4 - 0.5cm. Das wird der vordere Hosenausschnitt.
Breite Hüfte, flacher Po: vHoB:4 - 1 bis 1.5 cm; schmale Hüfte, starker Po: vHob:4 + 0 bis 0.5cm. (Ich habe den Standardwert genommen)
P1162420_bearbeitet_x900.jpg

Jetzt ist mein Bildkontingent voll. Morgen mehr. Dann kommen die ersten brauchbaren Kurven daher.

Wer schon mal anfängt: denkt dran: komplette Taillenhöhe verwenden, nicht kürzen.

LG
neko

Judith: Vorsicht! Ich habe mir sagen lassen: Kinder sind anders proportioniert, da funktionieren diese Konstruktionen so nicht. Oder ist Deine Tochter schon weiblich gerundet? Zur unelastischen Hose: Mama! Nimm halt gleich was mit bisserl Elastan drin oder so... Du weißt doch: geht sie vorzeitig kaputt, war sie es nicht wert eine langlebige Kinderhose zu werden...

Himbeerkuchen: nach dieser Linie da unten kräht später kein Hahn mehr. Allerdings verändert es natürlich auf diese Strecke (bei mir über 100cm) MINIMAL Deine Winkel nach oben. Und die Passform direkt unten am Saum verändert sich ein klein wenig: Die unteren paar cm werden nachher senkrecht nach oben abgetragen.
Das geht dann 4cm mehr oder weniger weit hoch am Ende. Ich denke, der praktische Unterschied ist akademisch. (Du schneidest letztendlich dann doch wieder mit 4cm oder mehr Saumzugabe zu)
Der Saum 'rutscht' dabei ein klein wenig mehr oder weniger nach oben. Die Linie ist ja zum Boden gemessen, aber Du hast (hoffentlich) noch Füße drunter.
Eventuell ist es geschickter, hier nur 1-2 cm zu nehmen. Ich könnte mir vorstellen, daß das bei High-Heels-Trägerinnen interessant werden könnte.

LG
neko

Das tuts ja sowieso auf die Beinlänge abgestimmt werden. Das ist die Seitenlinie von Punkt 1. -> 2. Das ist einmal Taille ->Fußboden. Und dann zieht er 0-4cm ab. Also ansich: Bodenlange Hose oder bisserl weniger. Genau für Deine Beinlänge.

Anstrengender werden 2 unterschiedliche Beine. Dann muß man jede Hosenseite einzeln konstruieren. Macht doppelten Zeitaufwand. Wobei ich bei mir mit 2-3 Stunden pro Seite dabei war. (1. Mal überhaupt nach Anleitung konstruiert)

LG
neko

Danke, das ist auch in meinen Überlegungen gerade drin ob ich nicht einen Stoff mit geringem Elasthananteil verwende.

Das gleicht kleine Ungenauigkeiten aus, das Teil hat eine höhere Chance tragbar zu sein und man sieht grobe Fehler trotzdem.

Ich hätte da auch was im Schrank so mit 5% ... allerdings in nicht-Fototausglichem Nachtblau und schwarz ... Oh, mir fällt da gerade was ein... ich muss mal was guggen gehen. Ist nicht ganz das, was ich im Kopf hatte, könnte aber alle Kriterien erfüllen:

Ich habe vor 2 Jahren oder so mal einen mittelgroßen Posten (3m? 5m?) von irgendso einem naturweissfarbenem Stoff gekauft, der war für Kostüme gedacht. Also für eine Hose perfekt, Dann mit buntem Oberteil, damit es nicht wie Braut ausschaut... Ich gehe den mal suchen, der ist noch ungewaschen eingelagert (aus der Zeit, als ich das noch so gemacht habe)...

LG
neko
PS: Aber wir sind doch noch gar nicht bei der Probehose!!!

Nachtrag zum Stoff: ich habe mal 2.5m vom großen Unbekannten in die WaMa gepackt. Der wurde als cremefarbener Jersey, extraschwer angeboten. Ohne Materialangabe (ich mache nachher mal eine Brennprobe, wenn er wieder trocken ist). Er ist merklich querelastisch, kaum längselastisch. Wenn er meinen WaMa-Gang übersteht (gnadenlose 40° Pflegeleicht) und sich dann besser anfasst (scheint viel Appretur drin zu sein) wird er es werden. Zur Not habe ich noch 2m naturfarbenen Molton. Den habe ich mal für Hosenexperimente gekauft gehabt.

Zitat von sabsmitkater

Projekte meines Größenwahnsinns

Jaja, ich weiß... Es geht mir ja nicht besser. Das ist alles eigentlich weit weg von meinem Horizont. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen....Vielleicht sollte ich meine 2SewListen in GrößenwahnsinnsListe umbenennen?

LG
neko

Über den Autor steht leider nicht viel im Buch, aber sein Video auf youtube verrät ein wenig: er scheint aktiver Lehrkörper an einer Modeschule in Stuttgart zu sein. (Man kann ihn also zur Not auch noch versuchen zu fragen.)

Im Vorwort steht drin, daß sein 'System' kein neues System ist, sondern vielmehr der Versuch "bewährte und erprobte Schnittentwicklung zu vereinfachen...".
Die Schnittsysteme von "Müller und Sohn" und "Optikon" werden namentlich ans Ideengeber genannt. Außerdem das Buch "Patterndrawing for Fashion Design". Da kommen wohl ein paar nette Schnitt-Modifikations-Ideen her.

Ansonsten ist das wohl ein Lehrbuch, welches bei ihm im Unterricht verwendet wird. Scheint mir also für einen Autodidakten genau richtig.

Also ich bin bisher sehr gut mit dem Buch klar gekommen. Es schwafelt nicht, verweist auf Kapitel mit Details (z.B. bei Anpassungen für besondere Körperformen), schreibt aber auch die Eckdaten gleich daneben. So muss man nicht ständig blättern.

Ich mags bisher. Schaumer mal, ob das Endergebnis brauchbar ist. Schließlich wird sich letzten Endes der Wert des Buches daran messen.

LG
neko

Antonia: das mit der Dressur hab ich noch nie recht verstanden. Okay, ich glaube, das ist diese Bügelei. Aber was warum an welcher Stelle hab ich keinen Plan. Ich werde es also entweder ganz schnell rausfinden oder erst mal ohne auskommen müssen.

Außerdem nagt an mir gerade schon wieder diese Ungeduld. Haben-Will! Fertig-werden-will!!! Ausprobieren und Ergebnisse sehen, will ich!

Ausserdem: geht diese Bügelstreck-und Stauch-Aktion nicht nach der ersten Wäsche gleich wieder flöten?

LG
neko