Mit dem von der Initiative Handarbeit zur Verfügung gestellten Budget von je 2500 Euro sowie den benötigten Materialien konnten die Designerinnen ihre Entwürfe in die Praxis umsetzen, sie professionell inszenieren und natürlich zu allen Modellen Anleitungen zum Nachstricken verfassen.
Entstanden sind dabei zwei völlig unterschiedliche Linien, die auf ganz neue Weise traditionelle Handarbeit mit modernen Schnitten und Mustern kombinieren. Sandra Knüpfing variiert in ihrer "Herringbone"-Kollektion das klassische Fischgrätmuster immer wieder anders. Wichtig war ihr dabei, stricken zeitgemäß zu interpretieren und gleichzeitig die positiven Eigenschaften von Strickmode wie Wärme und Gemütlichkeit zu vermitteln.
Die Kollektion von Merle Richter basiert auf dem Gedanken des Wandels zwischen der zweidimensionalen Fläche und dem Fall der Kleidung am Körper. Durch die grafischen Formen hat sie komplexe Schnitte auf ihre Grundstruktur reduziert. Beide Jungdesigner-Kollektionen sind ab sofort auf der Webseite der Initiative Handarbeit online. Die Anleitungen dazu können wie immer kostenlos unter www.initiative-handarbeit.de heruntergeladen werden.
Bisher habe ich diese Informationen selten kommentiert, sondern gern übernommen und den Weg zu den Modellen gewiesen. Das möchte ich selbstverständlich auch heute tun. Aber nach dem ich mir eine Weile die Bilder und Modelle angesehen habe, möchte ich dieses mal meine ganz persönliche Meinung dazu mitteilen.
Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist im Modebereich eine eigene Handschrift zu präsentieren. Wir bleiben in den Grundstrukturen gleich - zwei Arme, zwei Beine, ein Körper... NEU ist nicht dringend wirklich etwas Neues, sondern oft eine Variante, Kombination, ab und an ein Recycling von alten Techniken mit neuen Möglichkeiten in Material und Verwendung. Oft ist modisch Wiederkehrendes NEU und inspiriert aus einer vorherigen Zeit. Als Modedesigner da Fuß zu fassen stelle ich mir sehr schwer vor.
Vor etlichen Jahren (2003) saß ich in der Jury des Catwork in Dresden und dort zeigten Modeschulen und Designer ihre Arbeiten und wetteiferten um einen Preis. Es waren beeindruckende Modelle dabei und Überraschendes gab es auch. Ich erinnere mich an verwendete Putzlappen zum voluminösen Outfit oder ein gaaaaanz tiefes Rücken- (eher Po) Dekolletee das mit einer Kette dekoriert wurde die im unteren Bereich alle Blicke bündelte. Manches fand ich damals "verrückt" und nicht tragbar.
Das gehört vermutlich dazu und wenn man die großen Schauen der Modedesigner der Hot Couture ansieht, gehörten oft auch Modelle dazu, bei denen ich mich fragte - wann wo und wie trägt man das im Alltag? Ich persönlich habe dann die Beschreibung "nett" gefunden. Leider gibt es keine Bilder mehr davon, wohl aber diesen Nachbericht. Daraus das Zitat:
Zitat
"Mal elegant, mal reichlich verrucht und von Zeit zu Zeit auch leicht skurril, aber fast immer tragbar – wenn sich denn der passende Anlaß findet – zeigten sich die Kreationen."
Fast immer tragbar war auch meine Einschätzung und die Kreationen, die sozusagen nicht "fast" waren, die waren da zum Nachdenken. Was hatte sich der/die Designer/in dabei gedacht?
Diese Frage habe ich in Bezug auf die Presseerklärung der Initiative. Zugegeben, ich bin nicht mehr jung und von "hipp" oder "trendig" meilenweit entfernt. Dennoch denke ich, wenn man Zeit und Arbeit investiert, sollte man das Ergebnis auch alltagstauglich oder eben für einen speziellen Anlass tragbar, nutzen können. Das kann ich bei der Kollektion von Merle Richter (für mich!) überhaupt nicht erkennen. Das ist so und das ist nicht dramatisch, denn es nötigt mich niemand, den Overall oder die Hose und den Cardigan nachzuarbeiten. Sie zeigt ihre Handschrift und Interpretation von Mode. Aber wenn die Initiative Downloads anbietet mit dem Ziel, das Thema Handarbeiten zu fördern, dann stellt sich mir hierbei die Frage, ob diese Auswahl tatsächlich animiert zu Wolle und Nadel zu greifen? Ich weiß nicht, ob diese Mode von morgen tragbar wird.
Vielleicht schaut ihr einmal auf die neuen Downloads. Es ist gut, dass man sich alle Bilder auch vergrößern kann und somit Details erkennt. Bei den Modelldownloads sind im unteren Bereich die technischen Zeichnungen, welche zusätzliche Informationen geben über die Grundformen der Bekleidung.
Das sind die Modelle (womit es weiter geht mit der Presseerklärung):
Schwerelos
Die weiße, verschlusslose Strickjacke besticht mit ihrer cleanen Optik, ohne dabei zu kühl zu wirken. Dafür sorgt das kuschelige, voluminöse Garn. Dank Nadelstärke 12 geht es trotz des anspruchsvollen Herringbone-Musters schnell voran. Zugleich erzeugt das dicke Garn einen besonders plastischen Effekt.
Große Nummer
Noch eine Jacke oder schon ein Mantel? Egal – hauptsache warm, weich und stylish! Bei der langen Strickjacke im angesagten Oversize-Look zeigt das Fischgrät-Muster wieder ein ganz anderes Gesicht. Nadelstärke 15 sorgt für ein schönes Volumen und betont die Schönheit des Naturmaterials Wolle.
Modisches Konstrukt
Das Strickkleid wirkt auf den ersten Blick ganz klassisch. Auf den zweiten Blick beeindruckt dann neben dem eingestrickten Muster in der Passe die besondere Konstruktion: Durch die eingefügten Seitenkeile sitzt das Kleid figurnah, lässt aber trotzdem angenehm viel Bewegungsraum.
Versetzung gelungen
Bei diesem Pullover ist Konzentration gefragt: Das zweifarbige Grätenmuster entsteht durch das wiederholte Versetzen von Maschen. Das richtige Mitzählen wird mit einer wirklich außergewöhnlichen Frontpartie belohnt.
Detailarbeit
Raglan und Fischgrätmuster bilden die bewährte Basis für den schmal geschnittenen Pullover. Seinen besonderen Look erhält er durch Details wie die kraus rechts gestrickten Ärmel und die auffälligen Riegel an der Seite.
Getunnelt
Der Pullover mit Intarsienmuster bewegt sich abseits der bekannten Strickmode-Pfade: Zum Oversize-Look mit überlangen Ärmeln und überzogenen Schultern kommt noch eine besondere Lösung für das Halsbündchen. Es wird als Tunnel gearbeitet, in den zum Schluss ein Gummi oder ein Band eingezogen wird.
Ins Netz gegangen
Cardigan 3.0: Die altbekannte Strickjacke wird hier mit geometrischem Schnitt und Reißverschluss auf neue Art interpretiert. Der Cardigan wird aus schlichtem Baumwollgarn im Netzpatent gestrickt. Der Reißverschluss kann per Hand oder mit der Maschine eingenäht werden.
Onepiece
Overalls bleiben angesagt. Das Modell aus Schurwolle und Leinen von Merle Richter setzt auf einen weiten Schnitt und von außen sichtbare Ziernähte. Vorder- und Rückteil des Overalls werden dafür mit einem Garn in Kontrastfarbe zusammengehäkelt.
Die Initiative Handarbeit e.V. ist ein Verband, in dem sich die führenden Anbieter der Handarbeitsbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen geschlossen haben. Unser Ziel ist es, noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Stricken, Nähen, Sticken und Häkeln zu erreichen. Neue Materialien, neue Techniken, neue Looks: Wir zeigen die aktuellen Trends in der Handarbeitsszene und wecken Lust aufs Selbermachen.